Studienfahrt der Seliger-Gemeinde 2022

Veröffentlicht am 31.08.2022 in Allgemein

Zum Ende des Themenspaziergangs „Migration“ nahm die Gruppe der Seliger-Gemeinde unter Leitung von Thomas Oellermann (3.v.li.) und Referentin Zuzana Schreiberová (2.v.l.) die Figurengruppe „Für das Kind“ zum Gedenken an den Briten Nicholas Winton in ihre Mitte.

 

Migration – gestern und heute

Geschichte wiederholt sich – Migrationsgeschichte sogar an den gleichen Orten

Eines der Themen der Studienfahrt der Seliger-Gemeinde vom 18.-21.8.2022 war „Migration“. Insbesondere für die Mitglieder der Seliger-Gemeinde ist dieses Thema sehr wichtig, sind doch viele Gesinnungsgenossen aus Deutschland, dem Sudetenland und Tschechien davon persönlich betroffen gewesen. Aber auch der Bezug zum Heute, die Flüchtlingsbewegungen 2015 und 2022 sind in Prag mit den gleichen Orten verbunden. Die Direktorin des Multikulturellen Zentrums Prag, Zuzana Schreiberová, führte die Gruppe um Thomas Oellermann zu diesen Orten und zog die entsprechenden Parallelen.

Schreiberová ist selbst aktiv in der Initiative Hlavák und anderen ehrenamtlichen Aktivitäten zur Unterstützung von Flüchtlingen und bestens mit der Migrationsgeschichte und -gegenwart betraut. Das Multikulturelle Zentrum Prag beschäftigt sich neben der praktischen Hilfe u.a. mit der Polarisierung in den öffentlichen und politischen Debatten, die durch den Zustrom von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten nach 2014 ausgelöst wurde. Der Verein greift dabei auch auf die historischen Lehren aus den späten 1930er Jahren zurück, als Prag damals Ausgangspunkt von zehntausendfacher Migration war. Die soziale Situation im Europa der 1930er Jahre, die historischen Ursprünge der Ideen und Handlungen sollten eigentlich dazu beigetragen haben, ähnliche Ereignisse in der Zukunft zu verhindern. Die Manipulations- und Propagandamechanismen in den späten 1930er Jahren, die das NS-Regime unterstützten, aber auch die verschiedenen Formen des zivilen Widerstands sind für die Mitglieder der Seliger-Gemeinde immer präsent. Umso spannender war der Spaziergang durch das Zentrum von Prag an diese historischen Schauplätze, die auch heute das Migartionsgeschehen bestimmen.

Zuzana Schreiberová (li.) und Thomas Ollermann (Mitte) stimmen die Teilnehmer in der Schalterhalle des Masaryk-Bahnhofs auf den anschließenden Themenspaziergang ein

 

Masaryk-Bahnhof (Masarykovo nádraží)

Bahnhöfe sind seit jeher eng mit dem Thema Migration verbunden – ob als Ausgangs- oder Zielort. So ist es nicht verwunderlich, dass Zuzana Schreiberová ihren Themenspaziergang an einem Bahnhof begann. Der Masaryk-Bahnhof ist der älteste Eisenbahnhof in Prag – der erste Zug fuhr hier bereits im Jahr 1845 ein. Die wunderbare Empirearchitektur mit Elementen der Neorenaissance ist in fast unveränderter Form bis heute erhalten geblieben. Auf diesem Prager Bahnhof ist 2015 eine Gedenktafel enthüllt worden, die an die Tschechen, Juden und deutsche Antifaschisten erinnert, die 1938 aus den tschechoslowakischen Grenzgebieten vertrieben wurden.

Laut tschechischen Geschichtsbüchern wurden 1938 bis zu 370.000 Menschen aus den Grenzgebieten vertrieben, die die damalige Tschechoslowakei nach dem Münchener Abkommen an Hitler-Deutschland abtreten musste. Es ist aber anzunehmen, dass die Zahl noch höher lag. Während an das Schicksal der Sudetendeutschen, die nach dem Krieg vertrieben wurden, oft erinnert wird, sind die Geschichten der 1938 aus den Grenzgebieten vertriebenen Deutschen und Tschechen meistens in Vergessenheit geraten. An sie wird an dem Bahnhof, wohin die meisten Flüchtlinge aus den Grenzgebieten im Herbst 1938 gekommen waren, seitdem mit der Gedenktafel öffentlich erinnert.

Man dürfe die demokratischen Deutschen nicht vergessen, die gegen den Nationalsozialismus agitierten, sich für die Verteidigung der Republik einsetzten, den tschechoslowakischen Staatsorganen bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Grenzgebiet halfen und sich zum Teil sogar als Freiwillige für die Verteidigung des Staates zur Verfügung stellten. Auch wenn sie unter den damaligen tschechoslowakischen Deutschen eine deutliche Minderheit darstellten, verdienen sie unseren Respekt. Mit der Enthüllung der Gedenktafel wird auch das Andenken an jene tschechoslowakischen Bürger gewürdigt, die den Mut fanden, sich dem Nationalsozialismus entgegenzustellen oder ihm zum Opfer fielen. Ziel ist es, einen Beitrag zu einer objektiven Betrachtung dieses Zeitraums unserer Geschichte und zum Verständnis der Ursachen und Folgen auf der Zeitachse der Geschichte zu leisten, erklärte JUDr. Jaroslav Těšínský, der damalige Projektleiter bei der Enthüllung. Dr. Thomas Oellermann erklärte anlässlich des Festaktes 2015 auch, dass der Bahnhof Masaryk, an dem die verfolgten Juden und Sozialdemokraten nach ihrer Flucht ankamen, nur die erste Station auf ihrer Weiterreise war. Viele erwartete ein tragisches Schicksal.

Vom nahgelegenen Hotel Alcron aus organisierte Doreen Warriner zusammen mit ihren Mitarbeitern Rettungstransporte, die auch vom Prager Masaryk-Bahnhof abgingen. Dabei wurden mehrere Tausend bedrohte Menschen von Prag nach London gebracht. Viele von ihnen waren sudetendeutsche Hitler-Gegner. Die Züge fuhren in die Niederlande, danach ging es mit der Fähre nach England. Als Warriner in Prag ankam, dachte sie ursprünglich wohl, dass es genüge, Essen und Kleidung für die Flüchtlinge zu organisieren. Innerhalb eines Monats wurde ihr klar, dass die Menschen raus mussten aus der Tschechoslowakei. Andernfalls würden sie in Konzentrationslagern landen. Sie sprach Tschechisch, kannte die Leute und hatte Kontakte zu Hilfsorganisationen, die ihr Gelder geben konnten.

Der damalige tschechische Außenminister Tomáš Petříček sagte beim Festakt: „Zunächst müssen wir anerkennen, dass diese Menschen ihre Leben riskiert haben, um anderen zu helfen. Dabei hätten sie jederzeit verhaftet werden können. Sie halfen vielen Hundert tschechischen Kindern dabei, in Großbritannien den Zweiten Weltkrieg zu überleben“.

Es war wohl ein Treffen mit dem sudetendeutschen Politiker Wenzel Jaksch, das Doreen Warriner die Augen öffnete. Der Vorsitzende der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik, dessen Leben nach der Besetzung der Heimat komplett aus den Fugen geraten war, machte sich keine Illusionen. Er ahnte, dass Deutschland die tschechische Regierung bald dazu zwingen würde, alle Anführer des sudetendeutschen Widerstands gegen die Nazis auszuliefern. Jaksch dachte, dass auch er mit größter Wahrscheinlichkeit ermordet würde. Der DSAP-Chef hat in einer dramatischen Flucht auch den Weg nach Großbritannien geschafft.

Es brauchte auch damals große Anstrengungen, um die britischen Behörden zu überzeugen. Denn damals lagen praktisch in ganz Europa und Nordamerika die Arbeitslosenzahlen ziemlich hoch. Die Briten wollten keine Menschen hineinlassen, die in ihrem Land arbeiten und somit den Einheimischen die Jobs streitig machen würden. Erst als die Kanadier anboten, Flüchtlinge in ihr Land aufzunehmen, und die britische Regierung Hilfsgelder bereitstellte, fanden diese den Weg nach England.

Der erste Transport mit sudetendeutschen Flüchtlingen verließ am 22. Oktober 1938 Prag. Doch es waren nur die Männer, die meistgesuchten Gegner Hitlers die fliehen konnten. Frauen und Kinder erhielten keine Visa. Sie wurden von Doreen Warriner in Gasthäusern im Umkreis von Prag versteckt. Erst mit der Zeit erlaubte London auch die Einreise von Familienangehörigen beziehungsweise ganzen Familien. Vor ihrem Tod ist Doreen Warriner mit dem Wenzel-Jaksch-Gedächtnispreis der Seliger-Gemeinde geehrt worden.

Die Gruppe vor dem Cafe Arco

 

Café Arco (Kavárna Arco)

Nächster Halt auf dem Themenspaziergang war das Café Arco, ein Kaffeehaus in der Dlážděná 6/Hybernská 16, gleich neben dem Masaryk-Bahnhof. Das am 7. September 1907 eröffnete Etablissement war zu Beginn des 20. Jahrhunderts das wohl berühmteste Caféhaus der deutschsprachigen Literatur in Prag. Hier verkehrte der berühmte Prager Kreis. Als „Prager Kreis“ wird eine Gruppe deutsch-jüdische Schriftsteller bezeichnet, die um 1900 und bis in die 30er Jahren hinein innerhalb der deutschen Sprachinsel der Moldaustadt beheimatet war. Innerhalb kürzester Zeit und auf engstem Raum traten aus dieser Gruppe bedeutende, zum Teil weltberühmte Autoren hervor, die oftmals schon die gleiche Schule besucht hatten. Zusammen hatten sie ihre literarische Schöpfungsarbeit begonnen und weiterentwickelt und so das literarische Leben der Moldaumetropole nachhaltig geprägt. Zum engeren Kreis der befreundeten Prager Schriftsteller gehörten unter anderem Rainer Maria Rilke, Franz Kafka, Franz Werfel, Egon Erwin Kisch, der blinde Oskar Baum, Felix Weltsch, Willy Haas, Paul Kornfeld, Ernst Weiß, Johannes Urzidil, Ludwig Winder, Gustav Meyrink, Franz Weiskopf, Louis Fürnberg, Paul Leppin und der Mentor des Kreises Max Brod.  Im Arco versammelte sich die deutsche und jüdische Intelligenz, aber allem Tschechischen gegenüber interessiert und sehr oft zweisprachig.

Franz Kafkas Besuche sind ab 1908 belegt. Er lernte aber an einem der Abende die Journalistin Milena Jesenská kennen. Mit einem offensichtlich unbezwingbaren Mut, der allmählich lebensgefährlich wurde, informierte Jesenská ihre Leserschaft über die Situation der gestrandeten Emigranten aus Deutschland und des ehemaligen Österreichs, insbesondere über die rastlose, atemlose Flucht der jüdischen Menschen.  Das Ende des Prager Kreises ist durch den Einmarsch deutscher Truppen in Prag markiert. Die zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Schriftsteller endeten entweder im Konzentrationslager oder wurden in eine jahrelange Emigration getrieben.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Prags, nach der Vertreibung der Deutschen und den Jahren des Kommunismus hatte das Arco seinen alten Charakter verloren. Das Arco war länger ganz geschlossen, vorübergehend eine unauffällige Offizierskantine und ist heute ein unscheinbares Restaurant. Informationstafeln und Bilder zeugen von der Zeit, als Literaten und Denker in den Prager Cafés die Stunden verstreichen ließen, disputierten, sich betranken, Pläne wälzten und die Liebe suchten.

Deutsches Kasino (heute: Slovanský dům)

Eine weitere Station auf dem Weg war das ehemalige Deutsche Kasino (oder Deutsches Haus) am Prager Hauptboulevard, am Graben (Na Příkopě). Das Palais Prichowsky erhielt 1798 sein klassizistisches Aussehen und war bis 1945 das "Deutsche Kasino". Zurzeit, als das Repräsentationshaus gebaut wurde, war der Graben die deutsche Flaniermeile (deutsches, meist deutsch-jüdisches Großbürgertum). Zentrum deutscher gehobener Geselligkeit war das Deutsche Kasino. Die Fortsetzung des Grabens südlich des Wenzelsplatzes, die damalige Ferdinandstraße (gegenwärtig die Nationalstraße) galt hingegen als tschechisches Revier. Seit 2002 beherbergt das Gebäude ein schickes Einkaufszentrum mit Luxusboutiquen, einem Multiplexkino und einem grünen Garten mit Café und gehört zu den bedeutendsten historischen Prager Sehenswürdigkeiten.

Nachdem Hitler im Januar 1933 die Macht ergriffen hatte, strömten tausende von Flüchtlingen aus Deutschland. Schätzungsweise 10.000 bis 20.000 von ihnen fanden zwischen 1933 und 1938 ein vorübergehendes Zuhause in der Tschechoslowakei. Damit gehörte das Land zu den großzügigsten seiner Zeit, was die Asyl- und Flüchtlingspolitik betraf. Der Schriftsteller Thomas Mann gehört zu den bekanntesten Emigranten, die in der Tschechoslowakei eine vorübergehende Heimat gefunden hatten. In seinem Vortrag aus dem Jahre 1936 lobte er die Arbeit des deutschen Volksbildungsvereines Urania, bei dem viele Emigranten aus dem Deutschen Reich tätig waren. Die Politik der Prager Regierung gegenüber den Flüchtlingen war großzügig. Bei der insgesamt 1500 km gemeinsamen Grenze war es nicht überraschend, dass viele politisch oder rassisch Verfolgte ausgerechnet in die demokratische Tschechoslowakei flohen. Ein weiterer Grund war die deutsch sprechende Umgebung in den Grenzgebieten und Prag, die das Einleben erleichterte. Ein Anlaufpunkt für die Flüchtlinge war, wie auch 1938 das Deutsche Kasino.

In Prag ließen sich eine Zeitlang der Parteivorstand der SPD (SOPADE) nieder sowie eine Gruppe des Politbüros der KPD. Es erschienen bis zu 60 Zeitungstitel, die zum Großteil für das Deutsche Reich bestimmt waren. Vor allem Sozialdemokraten überschritten illegal die Grenze zum Reich, um den dortigen Widerstand zu unterstützten.

Die Bezeichnung Deutsches Haus durfte nach der Gründung der Tschechoslowakei und dem Ende der Monarchie Österreich-Ungarn nach 1919 nicht mehr amtlich verwendet werden. Die Speisegaststätte wurde als Restaurant 26 nach der Hausnummer 26 bezeichnet. Nach der Vertreibung der Deutschen nach Ende des Zweiten Weltkrieges erfolgte nach dem Mai 1945 die Umbenennung in Slovanský dům (Slawisches Haus).

Zuzana Schreiberová veranschaulichte die Parallelen zu den Orten des Migrationsgeschehens gestern und heute mit etlichen Bildvergleichen

 

Stadtbibliothek Prag

Auf dem weiteren Weg berichtete Zuzana Schreiberová, dass 2015 und 2022 wie 1938 die Prager Stadtbibliothek Anlaufstelle vieler Migranten war. Hier konnten sie zur Ruhe kommen, bekamen Verpflegung und wichtige Informationen. In Tschechien wurden 2022 die Flüchtlinge aus der Ukraine bislang mit offenen Armen und offenen Türen empfangen. Geflüchtete kamen in Hotels und öffentlichen Notunterkünften unter, viele Tschechen nahmen Ukrainer auch in der eigenen Wohnung auf.

Das Land war stolz auf sich, auf eine bislang in Tschechien so nicht gekannte Hilfsbereitschaft für Menschen auf der Flucht. 7000 ukrainische Flüchtlinge wurden so zu Beginn des Kriegs täglich durch die Erstaufnahmestelle am Prager Hauptbahnhof geschleust - reibungslos. Mehr als 200.000 Flüchtlinge aus der Ukraine sind bislang in Tschechien untergekommen.

 

In der ehemaligen Schalterhalle des Prager Hauptbahnhofes in dem die Flüchtlinge früher wie heute ein provisorisches Nachtlager erhielten

 

Der Prager Hauptbahnhof

Heute wie früher war gerade der Prager Hauptbahnhof Brennpunkt im Migrationsgeschehen. Heute wie früher waren es Züge, die als Notquartiere dienten. „Es musste alles ganz schnell gehen um 21:45 Uhr am Gleis 1 des Prager Hauptbahnhofs: Kinderwagen wurden in den Personenzug gehoben, dicht drängten sich Frauen mit ihren Kindern vor den Zugtüren, sie alle wollten für ihre Familie ein Abteil für sich bekommen. Allabendlich stellte die tschechische Bahn diesen Zug als provisorisches Nachtlager zur Verfügung. Wer es nicht schaffte, für den blieb nur ein Platz auf den Steinfliesen in der zugigen Bahnhofshalle“, berichtete Zuzana Schreiberová von den dramatischen Szenen anfangs des Jahres, als die ersten ukrainischen Flüchtlinge kamen. Die Halle im Prager Hauptbahnhof war ursprünglich als Infozentrum gedacht - nun beherbergte sie Flüchtlinge, die nicht wissen, wohin. Im historischen Teil des Hauptbahnhofs in Prag, in einem Seitengang, der von der prachtvollen Kuppelhalle in ein Nebengebäude führt, harrten Flüchtlinge aus der Ukraine an einer Marmorwand des Ganges unter den Rundfenstern z.T. bis zu zehn Tagen aus. Zweimal am Tag mussten sie den Platz räumen. Da wurde der Trakt von der Feuerwehr desinfiziert. Zweimal am Tag machten die Frauen, Kinder und wenigen Männer, für die der Bahnhof in Prag vorerst zu einer Endstation ihrer Flucht geworden war, Platz für den Mann im weißen Schutzanzug und Gasmaske, der die Flächen abspritzte.

Auch hier wiederholt sich Geschichte, nur mit anderen Vorzeichen. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs organisierte der Brite Nicholas Winton mehrere Züge, meist deutschstämmigen tschechoslowakischen Kindern jüdischen Glaubens oder Herkunft von Prag nach England brachten. Winton war im Dezember 1938 auf dem Weg in den Skiurlaub, als ihn ein Hilferuf aus Prag erreichte. Spontan entschloss er sich, zu helfen. Er trieb die Garantiesumme von 50 Pfund pro Kind auf - heute wären das rund 3500 Euro. Acht Züge mit 669 tschechischen Kindern erreichten sicher London. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs duldete das Nazi-Regime die Transporte. Doch der letzte und größte Zug, für den 3. September 1939 geplant, durfte Prag am Tag des Kriegsbeginns nicht mehr verlassen. Heute geht man davon aus, dass die meisten der 250 Kinder an Bord im Konzentrationslager starben. Nicholas Winton war das Kind von Rudolf und Barbara Wertheim, vom Judentum zum Christentum konvertierten Deutschen, die 1907 nach England ausgewandert waren.

Das Denkmal, das an die damaligen Ereignisse erinnert und am 1. September 2009 enthüllt wurde, ist sehr eindrücklich gestaltet. Die Personen stehen ohne Sockel quasi auf Augenhöhe mit den Wartenden am Bahnsteig 1 des Prager Hauptbahnhofs (Praha hlavní nádraží). Eine Tafel verrät den Titel des Kunstwerks: Für das Kind (Pro dítě). Der Text dankt Nicholas Winton, dessen Züge 669 Kindern die Ausreise nach England ermöglichten. Die Tafel mahnt aber auch, dass 15.131 tschechische Kinder in den Konzentrationslagern starben. Auch auf dem Wiener Westbahnhof erinnert eine Skulptur der Künstlerin Flor Kent an die Kindertransporte nach England. Auch am Ziel ihrer Reise – in der Londoner Liverpool-Station – steht heute so eine Bronzeskulptur.

Winton, der sich auch im Alter gemeinnützig, sprach jahrzehntelang nicht über seine Taten. Auch die von Winton Geretteten ahnten nichts von seinem Beitrag. Sie glaubten an eine Mitwirkung des Roten Kreuzes. Erst seine Ehefrau fand 1988 in einem Koffer auf dem Speicher des Wohnhauses entsprechendes Material und machte die Vorgänge öffentlich bekannt. Die Transporte hatte Nicholas Winton organisiert, konnte sich dabei aber auf ein Netzwerk stützen, das Doreen Warriner aufgebaut hatte.

Hilfe für Roma - ein heikles Thema

Wieder zurück ins Heute: Hunderte Roma waren im Frühling 2022 am Prager Bahnhof gestrandet. Rund 500 Roma campierten hier seit Tagen unter völlig unzureichenden Bedingungen. In der prächtigen Jugendstilhalle des Bahnhofs zogen Reisende ihre Rollkoffer im Zickzack vorbei an den spielenden Roma-Kindern. Staat und Stadt schoben sich gegenseitig die Schuld zu, Hilfsorganisationen mussten vor Ort das Versagen der öffentlichen Stellen ausbaden, berichtete Zuzana Schreiberová.

Eine schnell eröffnete Zeltstadt am Prager Stadtrand sollte die Lage am Bahnhof entspannen. Doch es gab immer noch zu wenige Betten, und die Frage nach dem Wohin blieb offen. Zumeist kamen die Roma in großen Familien, nicht selten mit 20 oder 30 Personen. Für solche Gruppen gab es kaum angemessene Unterkünfte und landesweit auch keine Bereitschaft, solche Gruppen aufzunehmen. Oft wurden sie deshalb abgeschoben etwa in Internierungslager, die für illegale Migranten gedacht sind, berichtete Zuzana Schreiberová.

Von offizieller Seite werde man immer hören, dass alle Flüchtlinge gleichbehandelt werden, so Schreiberová. Aber es gebe in der tschechischen Gesellschaft einfach große Vorbehalte gegen Roma, auch in den Behörden. Hilfe für Roma - ein heikles Thema in der tschechischen Politik. Ein Problem, das man am liebsten loswerden würde. Ähnlich gestaltet sich die öffentliche Meinung 2015 zu den Flüchtlingen aus Afrika und noch extremer gegenüber denen aus dem Nahen Osten.

 

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