Almar Reitzner (1923-1988)

Almar Reitzner

Almar Reitzner wurde am 30.6.1923 in Bodenbach geboren. Almar war der Sohn des bedeutenden sudetendeutschen Sozialdemokraten Richard Reitzner (1893–1962). Sein Großvater Adolf Reitzner war Porzellanmaler und 1907 für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) in den Wiener Reichsrat gewählt worden. Almar hat die sozialdemokratische Tradition von Kindheit an kennengelernt und wuchs in ihr auf. Er lernte in seiner Heimat Tetschen-Bodenbach bereits als Minderjähriger den Konflikt mit den nationalen und bürgerlichen Kreisen in aller Schärfe kennen. Er begegnete aber auch bekannten internationalen Gesinnungsgenossen seines Vaters, die diesen aufsuchten. Es waren dies der vor allem nach dem Krieg bekanntgewordene Labour-Abgeordnete Richard Crossmann oder der indische Widerstandskämpfer und von 1947 bis zu seinem Tod erster Ministerpräsident Indiens, Pandit Nehru.

Vater Richard Reitzner schloss sich seinerseits 1920 der Arbeiterbewegung an und wurde Mitglied der DSAP. Daneben engagierte er sich als Funktionär in der Arbeiter-Sportinternationale und musste 1938 mit seiner Familie vor den Nazis fliehen. Mit dabei der 17jährige Sohn Almar. Es folgte die Internierung im Lager Holmhurst bei London und die Verfolgung durch die Nazis mittels der Sonderfahndungsliste G.B..

Kaum war der Krieg da, als sich auch schon Agenten der „Tschechoslowakischen Auslandsarmee“ in Holmhurst - wie auch in anderen Lagern, in denen Sudetendeutsche tschechoslowakischer Staatsangehörigkeit saßen - einfanden und Rekruten für ihre Legionen warben. Aber Wenzel Jaksch, Führer der sudetendeutschen Sozialdemokraten, erreichte schließlich, dass seine Leute, soweit sie nach den britischen Gesetzen dienstpflichtig waren, in die Armee Seiner Majestät des Königs eintreten durften.

Almar Reitzner hatte sich wohl mit gefälschtem Geburtsdatum (30.5.1923) zur Royal Air Force beworben und wurde eingezogen. Er brachte es als 21Jähriger zum Captain und zu fünf Tapferkeitsauszeichnungen. Die CSU versuchte später daraufhin den SPD-Landtagskandidaten Almar Reitzner als Bombenterroristen hinzustellen – ohne Grundlage, da Reitzner nicht an kämpferischen Aktionen teilnahm. Aber Almar Reitzners Kandidaturen zum Bayerischen Landtag (1958-66) scheiterten, ebenso wie die Bundestagskandidatur 1969.

Seine kämpferische Natur zeigte sich aber in seinem bewundernswerten abenteuerlichen Flug am 31. Juli 1945 ohne jede Erlaubnis in einer britischen Maschine kurz nach Kriegsende nach Prag, um sudetendeutsche antinazistische Freunde herauszuholen. Er schlug sich per Bahn bis zu Verwandten in der Nähe Bodenbachs durch, um sich einen Überblick über die Vertreibung zu verschaffen. Gemäß seinen Eindrücken verfasste er anschließend zurück in London einen Bericht darüber, der in einer Unterhausdebatte diskutiert wurde, und schrieb außerdem noch eine Broschüre (Ich flog nach Prag, 1948) über sein Abenteuer. Der Bericht war bereits 1945 wichtige Informationsquelle für die Exilleitung der DSAP (Treuegemeinschaft).

Später trat Almar Reitzner der SPD bei, arbeitete als Pressechef für die bayerische SPD und als Redakteur für den Bayerischen Rundfunk. Er war Vertriebenensprecher der bayrischen SPD sowie Vorsitzender des Landesvertriebenenbeirates der SPD in Bayern. Almar Reitzner bekleidete hohe Funktionen in der Sudetendeutschen Landsmannschaft und war SPD-Mitglied im Sudetendeutschen Rat. Er verfasste sehr interessante Memoiren, in denen er auch das stetig schwieriger werdende Verhältnis zwischen SPD und Vertriebenenverbänden thematisierte. Außerdem war er stellvertretender Vorsitzender der Seliger-Gemeinde.

In seiner Eigenschaft als Vertreter der Vertriebenenverbände im bayerischen Rundfunkrat übte Almar Reitzner, Chefredakteur der Wochenschrift ,,Die Brücke“, Kritik an Rundfunk und Fernsehen. Er zeigte sich über eine ,,gewisse Einseitigkeit in der Berichterstattung über die deutschen Ostgebiete und die Probleme der Heimatvertriebenen“ besorgt.

Als Präsidiumsmitglied der Seliger-Gemeinde schrieb Almar Reitzner im SPD-Pressedienst 1972: „Es gehört nach wie vor zu den Tatbeständen europäischer Politik, dass die Völker Europas die Teilung ihres Kontinents als unnatürlich empfinden. Sie ist ebenso eine Hinterlassenschaft Adolf Hitlers wie jene unerbittliche Konfrontation zwischen Ost und West, die stets die Gefahr eines neuen, in seinen Auswirkungen unvorstellbaren Krieges in sich barg. Jahrelang war die Lage in Europa durch Hass, Furcht, Misstrauen und Spannungen gekennzeichnet.

Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion hatte Konrad Adenauer einen bedeutsamen Beitrag zur Überwindung dieses gefährlichen Zustandes geleistet. Diesem Schritt folgte aber eine lange Periode der Stagnation und der ostpolitischen Abstinenz.

Dann kam Willy Brandt. Seiner Friedenspolitik, die er in der großen Koalition bereits als Außenminister konzipiert hatte und die er dann als Kanzler der sozialliberalen Koalition zielstrebig und unbeirrt weiterentwickelte, wurde in aller Welt höchste Anerkennung zuteil ...“

Almar Reitzner starb am 2.11.1988 in München.

 

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