Arbeiterheime

Die Industriemetropole hatte eine starke Arbeiterbewegung, deren Stolz das große Arbeiterheim gewesen ist. Hier spielte sich das kulturelle Leben ab.

 

Arbeiterheime - ökonomische, politische und kulturelle Zentren der Arbeiterbewegung

Mit der Gründung von Gewerkschaften und Arbeiterparteien am Ende des 19. Jahrhunderts entstand oft das Problem, dass es an geeigneten Versammlungsorten, wo man ungehindert der politischen Arbeit nachgehen konnte, mangelte, da die meist bürgerlich orientierten Gaststättenbesitzer nicht oder nur zu hohen Kosten bereit waren, hierzu Säle zu vermieten. Um hiervon unabhängig zu sein, entstanden in vielen Städten Eigeninitiativen von Arbeitervereinen und Gewerkschaften, eigene Häuser zu errichten oder vorhandene Gebäude zu erwerben und umzubauen.

Ein derartiges Gebäude umfasste typischerweise Büros der Gewerkschaften und einer Arbeiterpartei, einen oder mehrere Festsäle und Räumlichkeiten, die Zwecken der Volksbildung dienten, wie etwa eine Bibliothek. Manche enthielten auch einige Arbeiterwohnungen oder ein Verkaufslokal einer Konsumgenossenschaft. Der Arbeitersport war ein wichtiger Mosaikstein im proletarischen. Gegenentwurf zum bürgerlichen Leben, so dass es auch so manche Arbeiter-Turnhalle als Anbau gab. In Altrohlau gab es sogar eine Bürgerschule mit Turnsaal.

Auch die Arbeiterheime der DSAP im Sudetenland waren Ort der Begegnung für Jung und Alt und meist Zentrum für die gesamte Bevölkerung des Ortes. Sie wurden fast überall durch den „Verein Arbeiterheim“ gegründet und verwaltet. Zweck des Vereins war die Erbauung und Erhaltung eines Vereinshauses, das als Vereinigungspunkt der Arbeitervereine gelten sollte.

Aus den Statuten ist zu entnehmen, dass die Mittel zur Erbauung und Erhaltung eines Arbeiterheims aus Beiträgen und Darlehen von Mitgliedern, freiwilligen Beiträgen und Legaten, dem Ertrag von Vermietung von Räumlichkeiten des Hauses, Erträgen aus öffentlichen Konzerten und Unterhaltungen aufgebracht wurden. Der Verein durfte keinen Gewinn erstreben.

Mitglied des „Vereins Arbeiterheim“ konnte jeder werden, der sich verpflichtet hat, die von der Generalversammlung festgelegte Einschreibegebühr und Jahresbeiträge zu entrichten. Der Beitritt erfolgte durch schriftliche Anmeldung. Gründe für die Ablehnung eines Beitritts brauchte der Ausschuss nicht anzugeben.

Die Arbeiterheime boten Raum für Versammlungen, Vorträge, Theateraufführungen, Konzerte und Bälle. In den Klubräumen hielten die Naturfreunde, die Falken, die Jugend oder sonstige Kulturvereinigungen ihre Zusammenkünfte ab. Nach Möglichkeit sollte eine Restauration angeschlossen sein, die den Vereinsmitgliedern auch außerhalb der Veranstaltungen einen festen Treffpunkt bot. Der Name „Heim“ sollte seinem Zweck voll entsprechen.

Arbeiterheime im Sudetenland (SJ 1988):

  • Arbeiterheim Krochwitz a.d.Elbe
  • Arbeiterheim Sternberg
  • Arbeiterheim Hermsdorf bei Braunau
  • Arbeiterheim Liebenstein
  • Arbeiterheim Warnsdorf
  • Arbeiterheim Altrohlau

Ein Beispiel: Das Arbeiterheim in Altrohlau

 

Ein Arbeiterheim, dass auch heute noch seine Bestimmung erfüllt, ist das Arbeiterheim in Altrohlau, das wir 2017 im Rahmen des Frühjahrsseminars besuchten: Der 42 Meter lange imposante Bau ist auch heute noch beeindruckend. Kernstück ist der „große Saal" mit einer Rundgalerie, der bei Tischen 900 Gäste aufnehmen konnte. Die Bühne des Saales die schon damals für die Aufführungen der Theatersektion „Bühnenfreunde" genutzt wurde, ist heute auch noch da, nur viel moderner. Die Chöre stellten damals die Arbeitersänger, das Ballett der ATUS. Auch für Kongresse und Tagungen von Partei und Organisationen des Kreises war der Saal angefragt.

 

Wegen der niedrigen Beiträge beruhte die gesamte Organisation auf ehrenamtlicher Arbeit. Die Begriffe Gemeinschaft und Freundschaft waren keine leeren Worte. Die engen Wohnverhältnisse taten ein Übriges. Familien mit bis zu zehn Kindern hausten in zwei kleinen Räumen in einer Mietskaserne gegenüber den qualmenden Fabrikschloten. Es blieb nur die Flucht ins Wirtshaus, einen Verein oder den Sportplatz - und das meist nur für die Männer, denn die Frauen mussten trotz aller Primitivität die Familie versorgen und versuchen, aus den Kindern anständige Menschen zu machen. Dass sich trotzdem eine Frauenbewegung in der Arbeiterschaft entwickelte, ist bewundernswert. Kinderfreunde, Falken und SJ unterstützten die Eltern in dem sie sich um die Kinder sorgten und eine Erziehung im Sinne der Arbeiterbewegung boten. Solidarität und Zusammenhalt zwischen den Arbeitern machte das Leben erträglich.

 

Das Arbeiterheim war durch die vielen Vereine immer gut besucht, denn jeden Tag war etwas los: Singstunden, Theaterproben, Vorträge, Lesungen und es gab auch einen Schach-Klub. Durch das Vereinsleben lernten die Menschen, wie sehr sie in ihrem Dasein auch auf den anderen angewiesen sind. Sie lebten in Gemeinschaft. Nicht von ungefähr ist der sozialdemokratische Gruß „Freundschaft“.

Der „Arbeiterturn- und Sportverein" (ATUS) und der „Deutsche Turnerbund" (Turnverein) nutzten für ihre Gruppenstunden den großen Turnsaal in der Bürgerschule, die heute eine moderne Grundschule mit beeindruckendem kunsterzieherischen Niveau ist, wie sich die Besucher überzeugen konnten. Sportler und arbeitslose Jugendliche hatten in Eigenleistung am Walter-Teich schließlich aus einer Halde der,ehemaligen Ziegelei den schönen ATUS-Sportplatz geschaffen.

Die Bürgerschule wurde etwa um 1910 errichtet. In ihr waren bis zu 24 Klassen untergebracht. Dazu kam im 2.Stock ein großer Zeichensaal, ein doppelgeschossiger Turnsaal, Lehrer-, Konferenz- und Lehrmittelzimmer. Eine Lehr-Kochküche und der Kindergarten waren angeschlossen. Auch das städtische Volksbad befand sich im Kellergeschoss der Schule. Zeichen- und Turnsaal wurden in den Abendstunden von der Kommune und von Vereinen genützt. Ein großer Turnplatz und Lehrgärten vor der Schule ergänzten das reichhaltige Angebot dieser von einem großen Einzugsgebiet genützten Bildungsstätte

Heute ist das ehemalige Arbeiterheim im Besitz der Kommune und wird wieder vielfältig genutzt.

 

Arbeiterheime und die Nazis

 

Die Arbeiterheime waren den Nazis von Anfang an verhasst. Oft kam es zu Kämpfen vor und während Veranstaltungen zwischen Henleinvertretern und der Roten Wehr. Nach der Machtübernahme wurden viele Arbeiterheime von den Nazis besetzt, die Hakenkreuzfahne wurde gehisst und das NSDAP-Abzeichen angebracht. Oft waren gerade sie, während der Nazi-Diktatur, ein Ort für Verhöre und Folter.

Die Arbeiterheime waren ein wertvoller Besitz der sudetendeutschen Arbeiterbewegung. Dieses Vermögen ging mit der Besetzung des Sudetenlandes verloren. Daneben gehörten auch Druckereien zum verlorenen Parteivermögen.

 

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