Anna Altmann

 

Fabriksarbeiterin, Frauenrechtlerin, Sozialdemokratin

Anna Altmann wurde am 17. November 1851 in Böhmisch Leipa, einem Industriegebiet in Nordböhmen, als Anna Urbantschky geboren. Sie stammte aus einem sehr armen Elternhaus. Bereits im Alter von fünfeinhalb Jahren begann sie in einer Druckfabrik zu arbeiten und musste so zum Einkommen der Familie beitragen. Mit sechs Jahren besuchte Anna die Schule. „Die Schule musste ich abends von 7 bis 9 Uhr besuchen. Fragt mich nicht, was wir abgehetzten Kinder beim zweifelhaften Schein einiger Talglichter erlernten!“, so Anna Altmann in einem Rückblick 1912. Im Alter von 12 Jahren arbeitete sie in einer Flachsspinnerei. „Hier wurde ich wenigstens nicht geprügelt, aber es waren lange Arbeitstage. Von früh 5 Uhr bis abends 7 Uhr, ohne Frühstück- und Mittagspause. Vierzehnstündige Arbeitszeit für einen Taglohn von 24 Kreuzern“, erinnerte sich Anna Altmann weiter.

Als sie in den 1860ern durch ihren Vater die Arbeiterzeitung "Volkswille" kennenlernte, schloss sie sich Arbeitervereinen an. Sensibilisiert für die ungerechte Lohnverteilung, führte 1866 als 15-jährige zusammen mit zwei Kolleginnen einen Streik an. Sie forderte ihren Lohn erfolgreich ein, was aber zu ihrer sofortigen Entlassung führte.

Anna heiratete 1877 schließlich ihren Mann, der sich ebenso für Aufklärung und Wissen unter den Arbeitern einsetzte. Sie siedelten nach Aussig über und hatten drei Kinder. 1881 siedelte die Familie wieder nach Böhmisch Leipa zurück und 1886 nach Bensen im Polzental weiter.

Anna Altmann wurde eine der ersten sozialistischen Agitatorinnen der Habsburgermonarchie im österreichischen Raum und war die einzige weibliche Delegierte auf dem Einigungsparteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei 1888/1889 in Hainfeld in Niederösterreich, dennoch wurde ihr die Teilnahme als Frau untersagt.

Im darauffolgenden Jahr hielt sie das Hauptreferat bei der Konstituierung des Arbeiterinnen-Bildungsvereins der Sozialdemokratinnen in Wien und setzte sich dafür ein, dass sich Frauen organisieren. Sie wurde zu einer Leitfigur der Frauenbewegung in Nordböhmen und deren allseits bekannte und beliebte Referentin. Neben Adelheid Popp, Charlotte Glas, Anna Boschek, Amalie Ryba und Marie Krasa gehörte sie zu jenen Arbeiterinnen, die durch Vorträge und Agitation in ganz Österreich versuchten, Frauenvereine zu gründen.

Im Jahre 1890 wurde der erste Wiener Arbeiterinnen-Bildungsverein gegründet, mit dem Ziel, die geistigen und materiellen Interessen seiner Mitglieder zu fördern. Hauptreferentin bei der Konstituierung ist Anna Altmann, die Genossin aus dem Nordböhmischen Industriegebiet. Nun empfängt Parteichef Victor Adler sie in Wien und zeigt ihr das Parlament. Ja, Genossin Altmann, bis wir da hineinkommen werden, wird noch mancher böse Wind wehen und wir werden noch manche harte Nuß zu knacken haben – wie sich die hochbetagte Anna Altmann anlässlich Adlers achtzigsten Geburtstags in der Arbeiter-Zeitung vom 24. Juni 1932 erinnert. Elf Jahre nach dieser Begegnung werden die ersten sozialdemokratischen Abgeordneten im Parlament am Ring einziehen – und 1919 die ersten sozialdemokratischen Frauen.

Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg. Bei einer Hausdurchsuchung im Jahre 1891 wurde die ganze Korrespondenz mit Wien sowie das gesamte Agitationsmaterial beschlagnahmt. Angeklagt wurde Anna Altmann siebenmal, fünfmal wurde sie bestraft, einmal ist sie wegen Mangels an Beweisen, einmal aufgrund einer Berufung freigesprochen worden.

Anna Altmann 1912: „Mein sehnlichster Wunsch war erfüllt, ich stand nicht mehr allein da. …20 Jahre sind es her, dass die ‘Arbeiterinnen-Zeitung’ als junge Kämpferin auf den Plan getreten ist, um die Interessen des weiblichen Proletariats zu verfechten, um allerorts Bildung zu säen, Wissen zu pflanzen und das Klassenbewusstsein in die weitesten Kreise zu tragen. Langsam und sicher, aber mit zäher Ausdauer wurde gearbeitet, bis der Bann gebrochen war“.

Anna Altmann starb 1937 in Aussig.

Die Seliger-Gemeinde ehrt das Andenken an Anna Altmann in dem sie ihren Lebensweg in die neue Ausstellung „Böhmen liegt nicht am Meer“ mit aufgenommen hat.

Quellen:

Ihre Lebensgeschichte und frühe Politisierung beschreibt Anna Altmann in ihrem autobiographischen Text “Aus dem Leben eines Proletarierkindes”, der 1895 im Buch der Jugend: für die Kinder des Proletariats, hg. von Emma Adler, Berlin 1895, erschien. (https://frauenmachengeschichte.at/anna-altmann-jugendgeschichte-einer-fabrikarbeiterin/)

Im Artikel „Blätter und Blüten“, der im Gedenkbuch „20 Jahre Arbeiterinnenbewegung“, im Auftrag des Frauenreichskomitees herausgegeben von Adelheid Popp, Wien 1912, erschienen ist, beschreibt sie ihre Entwicklung bis 1912. (http://www.literature.at/viewer.alo?objid=1046&viewmode=fullscreen&scale=3.33&rotate=&page=25)

Arbeiterzeitung vom 24. Juni 1932: Beilage - Victor Adlers Vermächtnis - Ein Victor-Adler-Brevier (https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=aze&datum=19320624&zoom=33)

 

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