Artur Schober (1913-1999)

Artur Schober (1913 – 1999)

Jägerndorf war eines der Zentren der Arbeiterbewegung in Schlesien. Hier wurde am 28.11.1913 Artur Schober im Arbeiterheim geboren. Sein Vater, von Beruf Textilarbeiter, nach dem Krieg Hauptkassier und schließlich Prokurist der westschlesischen Konsum- und Spargenossenschaft, war von 1918–1938 sozialdemokratischer Stadtrat von Jägerndorf. Bereits als Sechsjähriger wurde Artur Mitglied der Kindergruppe im Arbeiter Turn- und Sportverein (ATUS), später schloss er sich der Kinderfreunde-Bewegung und den Roten Falken an.

 1928-32 absolvierte er eine Schriftsetzer-Lehre, anschließend arbeitete er als Schriftsetzer beim sozialdemokratischen „Vorwärts“ in Troppau, 1929 zur Sozialistischen Jugend (SJ), 1934 wurde er DSAP-Mitglied und wirkte in anderen DSAP-Organisationen mit.

1935 wurde Schober zum tschechoslowakischen Militär nach Rokitzan (Rokycany) bei Pilsen eingezogen. 1937, nach seiner Entlassung, schloss sich Schober der Republikanischen Wehr an. Er wurde Kreisleiter für Schlesien und erlebte in seinem Geburtsort Jägerndorf die Zuspitzung der politischen Situation bis zu den Wochen vor dem Münchner Abkommen. Immer wieder kam es zu scharfen, nicht selten handgreiflichen Auseinandersetzungen mit den ‚Henleinleuten‘. Die große Saalschlacht im Frühjahr 1938 nach einer Rede von Wenzel Jaksch hatte sogar gerichtliche Folgen.

Doch dies war nur die eine Seite der Tätigkeit. Auf der anderen Seite stand die Zusammenarbeit mit reichsdeutschen Genossen, die als Emigranten nach Jägerndorf gekommen waren. Mit ihnen zusammen war Schober in der ‚Grenzarbeit‘ tätig, betreute Kuriere und versteckte Botschaften. Zweimal ging er selber illegal über die Grenze, um Dokumente eines Emigranten aus Neisse herüberzuholen. Bei den Mobilmachungen im Mai und im September wurde er nach Rokitzan eingezogen und folgte wie die meisten Sudetendeutschen dem Stellungsbefehl.

Nach dem Münchner Abkommen wurden alle deutschen Soldaten entlassen. Schober jedoch, der bereits wusste, dass er steckbrieflich gesucht wurde, blieb bis Mitte Oktober beim Militär. Dann machte er sich nach Olmütz (Olomouc) auf den Weg, wo die Jägerndorfer Sozialdemokraten ein Flüchtlingslager eingerichtet hatten. Schließlich wurde er mit seinen Eltern und anderen in Proßnitz (Prostějov) untergebracht, von wo die meisten Lagerbewohner Weihnachten 1938 nach Jägerndorf zurückkehrten. Schober dagegen hatte keine andere Chance, als zu bleiben und sich um ein Visum ins Ausland zu bemühen.

Dabei konnte er auf die Hilfe des Vorstandes der DSAP rechnen, der in Prag die Auswanderung gefährdeter Parteigenossen vorbereitete. Ernst Paul und Siegfried Taub, in deren Händen die Durchführung der Aktion lag, konnten die guten Kontakte nützen, die seit den 20er Jahren zwischen der schwedischen und der sudetendeutschen Sozialdemokratie bestanden. Im Februar 1939 erhielt Artur Schober ein Visum zugeteilt. Am 16. Februar bestieg er in Prag mit anderen Sozialdemokraten, Männern, Frauen und Kindern auf der Flucht vor der Gestapo einen Zug, der quer durch Polen nach Gdynia/Gdingen an der Ostsee fuhr. Dort stand für die Emigranten der Dampfer „Marieholm“ bereit, der sie bis Stockholm brachte. Endstation war schließlich ein Lager in Södra Norrland in der Provinz Gävleborg. Auf seiner Flucht lernte er auch seine spätere frau Felicitas* kennen.

Artur Schober arbeitete zunächst als Holzfäller. Im Juni 1939 erhielt er eine Stelle als Melker auf einem Bauernhof. Im Winter 1939/40 erhielt er eine zweite Anstellung als Knecht bei einem Bauern.

Am 14. April 1940 wurde in Malmö die Treuegemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten für Schweden gegründet. Vorsitzender wurde Ernst Paul. Damit entstand neben den Sozialdemokraten um Wenzel Jaksch in London ein zweites Zentrum der sudetendeutschen Emigration.

1941 schloss sich Artur Schober der schwedischen Sozialdemokratie an, wo er schnell Kontakte zu jungen Parteigenossen fand. Im Herbst 1941 fand er schließlich eine Stelle in einer Kugellagerfabrik in Hofors. Dort arbeitete er als Hilfsarbeiter in der Gießerei, später bei den Öfen. Er bezog ein reguläres Gehalt, wohnte in einem kleinen Zimmer und fühlte sich in seinem Exilland zum ersten Mal heimisch. Im Frühjahr 1942 musste er die Fabrik verlassen, fand jedoch eine neue Anstellung in einer Baufirma.

Jaksch stemmte sich gegen die Pläne der tschechoslowakischen Exilregierung und der Alliierten für eine Vertreibung aller Sudetendeutschen nach dem Krieg. Die Exil-DSAP unter Wenzel Jaksch und Ernst Paul fassten im Herbst 1943 den Plan, Mitglieder illegal nach Böhmen zu bringen. Sie sollten die Bevölkerung über die Pläne informieren und zu Widerstandsaktionen gegen das NS-Regime auffordern. Von England aus sollte eine Gruppe mit Fallschirmen abspringen (Albert Exler!) und von Schweden aus zu Fuß eingeschleust werden.

Zu den Freiwilligen der schwedischen Gruppe zählte Artur Schober. Gemeinsam mit Artur Oehm aus Bärringen/Erzgebirge fuhr er im Januar 1944 nach Helsingborg um per Boot über Dänemark nach Deutschland zu gelangen. Ihr Auftrag: Koordination des sudetendeutschen Widerstandes, besonders zur Vereitelung der Pläne zur Zwangsaussiedlung der Deutschen aus der Tschechoslowakei nach Kriegsende. Diese Aktion wurde von dänischen Fischern an die Gestapo verraten und die beiden wurden aber bereits in Öresund/Dänemark verhaftet und zur Gestapo von Helsingör gebracht. Es folgten 14 Tage mit Einzelhaft, Nachtverhören und Stockschlägen, bei denen Schober das Schlüsselbein gebrochen wurde. Artur Schober musste danach einen kaum vorstellbaren Leidensweg durch unzählige Folter-Gefängnisse der Gestapo, das KZ Flossenbürg, schließlich den „Todesmarsch“ nach Dachau gehen, bis die Häftlinge durch die Amerikaner im Mai 1945 befreit werden konnten.

Nach Kriegsende ging Schober zunächst wieder zurück nach Schweden, wo er dank seiner früheren Kontakte führend an der Einwanderungsaktion für nach Österreich geflüchtete sudetendeutsche Sozialdemokraten mithelfen konnte. 1947 übernahm er wichtige Funktionen bei der TG Schweden in Stockholm.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er ab 1960 in Baden-Württemberg für das UN-Flüchtlingskommissariat tätig und widmete sich der Eingliederung pass- und heimatloser Ausländer (Verschleppte, Zwangsarbeiter aus der Zeit des „Dritten Reiches“), der DP’s (displaced persons). Danach übernahm er ein Referat in der Hauptabteilung für Vertriebene im Staatsministerium des Inneren in Stuttgart.

Bereits seit Mitte der 1960er Jahr hatte Artur Schober – zunächst kurzfristig, nach dem Tod von Hasenöhrl und Kunert mit vollem Einsatz – die Verwaltung und Leitung des Seliger-Archivs übernommen und, unterstützt von seiner Frau Felicitas, dessen weiteren Ausbau gefördert.

Bis zu seinem Tode am 29. März 1999 in Stuttgart war Artur Schober Landesvorsitzender der Seliger-Gemeinde in Baden-Württemberg sowie Präsidiumsmitglied auf Bundesebene.

 

*Felicitas Schober

 

Felicitas Schober hat sich in unserer Gemeinschaft besonders durch ihr soziales Wirken verdient gemacht hat. Geprägt durch ein sozialdemokratisches Elternhaus durchlebte sie den nicht untypischen Weg einer sudetendeutschen Sozialdemokratin: die schlimme Zeit während der Nazi-Herrschaft der Kampf gegen Henlein und Hitler, immer bereit zur Flucht, letztlich doch die Internierung durch die Tschechen und Vertreibung nach Österreich. Die Wende zum Guten trat erst 1948 ein, als sie durch Anwerbung von Ernst Paul und Karl Kern nach Schweden auswandern konnte. Auf dem Transport lernte sie ihren späteren Mann Artur kennen, der sie nicht nur sicher nach Schweden brachte, sondern sehr bald in den Hafen der Ehe führte. In Stockholm wurden auch die beiden Söhne Björn und Paul geboren. 1960 übersiedelte die Familie nach Stuttgart. Artur engagierte sich sofort in der Seliger-Gemeinde, Felicitas zunächst in der SPD, in der AWO und bei den Naturfreunden. Mit der Gründung des Sozialwerks der SG begann Felicitas’ Engagement auch in unserer Gemeinschaft. Nach dem Tod von Adolf Hasenöhrl übernahm sie für viele Jahre den Vorsitz. Dass sie auch beim Seliger-Archiv mitarbeitete, war selbstverständlich. Felicitas Schober starb im 97. Lebensjahr in einem Pflegeheim bei Stuttgart.

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