Geboren wurde Maria Günzl als Maria Franke am 23. März 1896 in Zwodau/Svatava bei Falkenau an der Eger/ Falknov nad Ohří (heute Sokolov) als ältestes von acht Kindern einer sozialdemokratischen Familie. Sie war eine sudetendeutsche Widerstandskämpferin, KZ-Gefangene und als Heimatvertrienene bayerische Politikerin (SPD) und Abgeordnete des Bayerischen Landtags, darüber hinaus war sie auch schriftstellerisch tätig.
Günzl besuchte die Volksschule und anschließend drei Jahre die Mittelschule. 1910 wurde sie Mitglied im Verband jugendlicher Arbeiter Österreichs und gehörte der Ortsgruppe Janessen bei Karlsbad an. 1911 gründete ihre Mutter in Graslitz eine sozialdemokratische Frauengruppe, Maria ging mit ihr dorthin und hat als 15-jährige Protokollantin bei verschiedenen Treffen Notizen gemacht. Daneben arbeitete sie als 14Jährig als Stickereifabrikarbeiterin in Kraslitz. 1911 wurde sie wegen Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 1. Mai entlassen. Sie bekam einen Stempel in ihr Arbeitsbuch und niemand wollte sie mehr einstellen. Danach arbeitete sie in einer sozialdemokratischen Konsumgenossenschaft, wo sie Lebensmittel einpackte, die unter den Arbeitslosen verteilt wurden. Auf der ersten Mädelkonferenz 1912 in Karlsbad (Karlovy Vary) wurde sie in die Kreisleitung des Jugendverbands gewählt und wurde später Referentin für Jugendarbeit in Westböhmen.
Am 26. September 1918 heiratete sie den aktive Sozialdemokraten Josef Günzl, mit dem sie keine Kinder hatte, deshalb adoptierte sie ein vierjähriges Mädchen namens Anita, deren Mutter gestorben war.
Als Bezirksvorsitzende des sozialdemokratischen Frauenverbandes Graslitz (1918 bis 1927) setzte sie nach der Gründung der Tschechoslowakei ihre Tätigkeit innerhalb der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei (DSAP) fort. 1927 Sekretärin der Partei für den Kreis Karlsbad, hatte sie ab 1932 den Vorsitz im genossenschaftlichen Frauenkomitee des Sudetenlandes inne. Eines ihrer wichtigsten frauenpolitischen Aufgabengebiete war die Bildungsarbeit unter den Funktionärinnen. Gleichzeitig war sie Leiterin der Ortsgruppe des Arbeitervereins „Die Kinderfreunde“. In dieser Zeit wurde sie Mitarbeiterin in der Redaktion des Volkswillen, sowie 1932 Vorsitzende des genossenschaftlichen Frauenkomitees im Sudetenland.
In den 1920er und 1930er Jahren traf sie in der Wirtschaftsschule auf Dr. Karl Renner, späterer Österreichische Bundeskanzler, der sie mit seinen Gedanken sehr beeinflusste. Marie Günzl traf auch auf den bekannten Arzt, Psychologen und Mitarbeiter von Sigmund Freud Alfred Adler, wodurch Marias linke Weltanschauung weiter vertieft wurde. Nach dem Schulabschluss organisierte sie in Westböhmen Vorlesungen und bildete zusammen mit dem Parteisekretär Ernst Paul diejenigen aus, die sich eine weiterführende Schule nicht leisten konnten.
Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in die Tschechoslowakei wurde sie als bekannte, aktive Sozialdemokratin 1938 in Karlsbad verhaftet und in Eger inhaftiert. Ostern 1939 erfolgte die Einlieferung ins Konzentrationslager Lichtenburg, im Mai 1939 wurde sie nach Ravensbrück deportiert wo sie bis 1942 blieb. Ihr Mann Josef wurde ebenfalls verhaftet Konzentrationslager Groß Rosen und Stutthof.
Von 1942 bis 1945 war Marie Günzl arbeitsdienstverpflichtet für ein Lagerhausunternehmen in Graslitz.
Obwohl sie von der örtlichen Gestapo überwacht wurde, war sie weiter illegal politisch aktiv und wurde schließlich am 1. Dezember 1944 erneut verhaftet, verhört, schwer gefoltert und schließlich zum Tode verurteilt., da sie den sudetendeutschen Fallschirmspringer der Royal Air Force, Albert Exler, illegal unterstützt hatte. Am 8. Mai 1945 sollte sie zusammen mit Albert Exler, ihrer Schwester Klara und ihrer Schwägerin in der Kleinen Festung in Theresienstadt hingerichtet werden. Nachdem sie bereits zu ihrer Hinrichtung abgeholt werden sollte, verhinderte das Anrücken russischer Panzer und schließlich das Eindringen revoltierender Bürger in das Gestapo-Gefängnis die Erschießung.
Auch Marias Mann Josef überlebte den Krieg, doch bald nach der Wiedervereinigung trennten sich ihre Wege. Maria Günzl hätte zwar in Graslitz bleiben können, wie eine Reihe anderer deutscher Antifaschisten, aber sie, wie ihre Geschwister, einschließlich ihrer Schwester Klara beschlossen, die Tschechoslowakei zu verlassen.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Günzel ab 1946 als Heimatvertriebene in Bayern ansässig. Dort begann sie sich wieder politisch zu betätigen, setzte sich für die Anliegen ihrer ehemaligen Landsleute ein und zählte zu den Mitgliedern der Seliger-Gemeinde. Maria Günzl war Abgeordnete der SPD im Kreistag München-Land (1948-1972), Abgeordnete im Bayerischen Landtag (1950-1962) und 1960 -1972 im Gemeinderat Planegg sowie von 1950 – 1953 Vorsitzende der Landesfrauenarbeitsgemeinschaft, einer Vorläuferorganisation der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF). Am 1. Juli 1959 war sie außerdem Mitglied der Bundesversammlung und bekam am 9. Mai 1961 den bayerischen Verdienstorden verliehen.
Günzls Werk als Autorin umfasst Gedichte, Kurzprosa und journalistische Beiträge. Der Band „Erlebtes Leben. Aus der Geschichte der westböhmischen Frauenbewegung“ (1971) ist eine Sammlung einfühlsamer Porträts. Mit ihren in Ravensbrück verfassten Gedichten, die zusammen mit Erinnerungen an ihre Leidensgefährtinnen in dem Band „Trost im Leid“ 1976 veröffentlicht wurden, zählt G. zu den Vertretern der KZ-Lyrik. Ihr Nachlass befindet sich im Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung
Maria Günzl starb am 7. Januar 1983 in München/Planegg.
Die Seliger-Gemeinde ehrt das Andenken an Maria Günzl in dem sie ihren Lebensweg in die neue Ausstellung „Böhmen liegt nicht am Meer“ mit aufgenommen hat. Bereits 2003 wurde am Gebäude der ehemaligen Druckerei der sudetendeutschen Sozialdemokratie in Karlsbad/Karlovy Vary eine Gedenktafel mit ihrem Namen und den Namen der DSAP-Abgeordneten in der Tschechoslowakei vor München, Ruben de Witt und Franz Katz, enthüllt.
Maria Günzl
(1939 - 1942 in Ravensbrück)
Hinter hohen Mauern
Hinter hohen Mauern
und elektrisch geladenen Stacheldrähten
verbrachten viele tausend Frauen
in unvorstellbarem Grauen
eine arbeitschwere
unmenschliche Zeit.
Nie sei vergessen das große Leid...
Woher sie alle kamen,
wie waren ihre Namen,
dies ist nicht von Gewicht.
Dort starben und verdarben
viele Tausende...
Sie werden zeugen vor Gericht
von dort verletzter menschlicher Pflicht.
Sie mochten uns schlagen und quälen,
die ärmlichen, machttrunkenen Seelen.
Sie mochten unsere Hoffnungen
für Jahre zerstören,
der Sieg aber wird uns gehören!
Die tolldreisten, machthungrigen Horden!
Sie konnten den G e i s t nicht morden!
Unendlich
Einsam sind
die wahrhaft
Sehnenden.
Unendlich
einsam sind
die wahrhaft
Liebenden.
Unendlich
einsam sind
die wahrhaft
Denkenden.
Sie sind
Kein Heer,
gehen
einzeln einher.
Sind bedrückt
Vor der Zeit
Und gebeugt
Vom Leid
der ganzen
Menschheit.
Aber sie sind
rein
wie die Quelle,
die rieselt und rinnt.
Und sie sind
wie
wärmende Helle,
die Sonne uns bringt
nach schauriger Nacht.
Und
sie sind!
und
werden sein!
und
wieder voran
der Menschheit gehen
und sicher sie geleiten
durch bewegte Zeiten.
Werden Kraft ihr leihn
und ihr Hilfe sein
und der Wunden Brand
mit liebender Hand
stillen und heilen.
O lasst sie
nicht länger mehr
einsam sein!
Lasst sie
in Eure Reihn!
Lasst sie
eure Führer sein!
Die Sehnenden,
Liebenden,
Denkenden!
Sie sind
die zum Guten
Lenkenden!
Zur Jubiläumsseite - Zum Geburtstags-Tagebuch