Max Mannheimer


Max Mannheimer mit MdL Christa Naaß, vertriebenenpolitische

Max Mannheimer (geboren am 6. Februar 1920 in Neutitschein, Nordmähren; gestorben am23. September 2016 in München)

 

Nachruf auf einen Freund (Olga Sippl)

Es war wie ein Versuch von Wiedergutmachung, was nach seinem Tode in den Medien über ihn publiziert wurde. Der Jude, der trotz Verlustes nahezu der gesamten Familie und eigenem qualvollem Schicksal im Dritten Reich zum Warner und nicht zum Ankläger wurde, darf aber nicht nur einseitig betrachtet werden. Max, der seinen letzten Brief an mich vom 14. März mit dem Satz beendete: „Wir wollen gemeinsam dafür arbeiten, dass die Gesellschaft humaner wird.“, machte keinen Unterschied zwischen rassisch und politisch Verfolgten. Er hat es in unzähligen Zeitzeugengesprächen in Schulen, Gymnasien, vor jungen und alten Zuhörern immer wieder betont. Er kannte keinen Unterschied zwischen Stand und Herkunft, obwohl er sich immer zu seiner Heimat Neutitschein in der Tschechoslowakei (nicht Sudetenland!) bekannte. Er konnte sich in sieben Sprachen mit den Menschen unterhalten.

Stets erinnerte er sich mit großer Dankbarkeit daran, dass er den Mut zu einem neuen Leben und einem Neuanfang in Deutschland seiner zweiten Frau Elfriede (Fritzi) zu verdanken hat. Mit ihr und ihren Eltern war er in einem ANTIFA-Transport nach München gekommen. Sie war im Widerstand, stellte sich in München der SPD sofort zur Mitarbeit zur Verfügung. Damals lernte ich die spätere Stadträtin und ihre Familie kennen. Nach ihrem frühen Tod 1964 wurde Max auch im Gedenken an Fritzi selbst aktiv. Er engagierte sich vor allem bei der Lagergemeinschaft Dachau, machte Führungen und knüpfte Kontakte, brachte schließlich mit Unterstützung von Dr. Hans-Jochen Vogel in der Vereinigung Gegen Vergessen – für Demokratie seine Erinnerungen im Späten Tagebuch heraus. Er reiste zu Zeitzeugengesprächen durch die ganze Republik.

Mit besonderem Stolz nahm er 2008 den Wenzel-Jaksch-Gedächtnispreis der SG entgegen. Spontan spendete er das Preisgeld für die Errichtung einer Gedenktafel für Häftlinge aus seiner Heimat im ehemaligen Lager Flossenbürg. Sein Bekanntheitsgrad war inzwischen so hoch, dass er zur Symbolfigur der Verfolgten wurde. Stets bekannte er sich zu seiner politischen Überzeugung. Und die Mitgliedschaft in der SPD und der SG waren für ihn und seine Tochter Eva Fässler ganz selbstverständlich.

Im Sudeten-Jahrbuch 2003, das ich als Freundschaftsgabe zum 80. Geburtstag von Volkmar Gabert gestaltet hatte, schrieb Max unter den Titel Gruß eines jüdischen Zeitgenossen folgendes: „Je älter man wird, desto mehr schätzt man es, Freunde zu haben. Wichtig ist, dass es Menschen sind, die ein Herz für andere haben und das nicht nur mit Worten, sondern mit Taten beweisen.“ Trotz seiner vielen Anerkennungen und Auszeichnungen war seine Gesinnungsgemeinschaft sein engster Freundeskreis.

 

Zur Person Max Mannheimer (aus wikipedia)

Max Mannheimer wuchs als ältestes der fünf Kinder von Jakob und Margarethe (geb. Gelb) Mannheimer in Neutitschein in der Tschechoslowakei auf. Von 1934 bis 1936 besuchte er die Handelsschule in Neutitschein, in der er auch die ersten Anzeichen des Nationalsozialismus bemerkte. Seine erste Arbeitsstelle erhielt Max Mannheimer 1936 in einem Kaufhaus der Firma J. Schön & Co. in Znaim-Alt-Schallersdorf.

Nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 nahm die Familie Mannheimer in dem grenznahen Ort geflohene österreichische Juden jeweils für eine Nacht in ihrem Haus auf, bevor sie weiter ins Landesinnere reisten. Mit dem Münchner Abkommen im September 1938 wurde Neutitschein als Teil des Reichsgaus Sudetenland an das Deutsche Reich angegliedert und die Familie erlebte erste Ausgrenzungen im Ort. Der Vater wurde im Zuge der Verhaftungsaktionen während der Novemberpogrome 1938 inhaftiert und im Dezember 1938 wieder freigelassen. Er musste innerhalb von acht Tagen den vom Deutschen Reich besetzten Teil des Landes verlassen und floh nach Ungarisch Brod. Die restliche Familie folgte am 27. Januar 1939. Nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei im März 1939 nahm Max Mannheimer im Sommer 1939 eine Arbeit im Straßenbau an, da es Juden nur erlaubt war, körperliche Arbeit auszuüben. Ende 1940 lernte er Eva Bock kennen. In der Hoffnung, dadurch bei der drohenden Deportation nach Theresienstadt zusammen bleiben zu können, heirateten die beiden im September 1942. Mannheimers Bruder Erich wurde 1942 verhaftet und kam in das für seine Foltermethoden berüchtigte Gestapogefängnis Kaunitz-College in Brünn.

Am 27. Januar 1943 wurden Mannheimer und seine Frau Eva, seine Eltern Jakob und Margarethe sowie seine Geschwister Käthe, Ernst und Edgar in das Konzentrationslager „Ghetto Theresienstadt“ deportiert und kurz darauf ins KZ Aschwitz-Birkenau weitertransportiert. Beide Eltern wurden noch am 2. Februar 1943 in der Gaskammer ermordet, seine Schwester wurde am 25. Februar, der Bruder Ernst am 7. März ermordet.

Max und Edgar Mannheimer wurden im Oktober 1943 in das Konzentrationslager Warschau transportiert, nachdem sie im KZ Auschwitz schwere Zwangsarbeit und Krankheit erlitten hatten. Die beiden Brüder Max und Edgar überlebten im August 1944 den Transport in das KZ Dachau, in dem viele politische Gefangene wie Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter inhaftiert waren. Von dort wurden sie wenig später in das Außenlager Karlsfeld zur Zwangsarbeit verlegt. Von Januar 1945 bis zur Räumung des Lagers durch die SS am 28. April 1945 waren die Brüder im Außenkommando Mühldorf. Die folgende sogenannte „Evakuierung“ überlebten Max und Edgar Mannheimer abgemagert und an Typhus erkrankt bis zu ihrer Befreiung durch die Amerikaner am 30. April 1945 in Tutzing.

Nach seiner Entlassung aus dem Lazarett kehrte er in seinen Heimatort Neutitschein zurück. Er schwor sich, nie wieder deutschen Boden zu betreten. Kurz darauf aber verliebte er sich in die Deutsche Elfriede Eiselt, eine Widerstandskämpferin, die seine zweite Frau wurde. Sie zogen mit ihrer gemeinsamen Tochter Eva 1946 nach München. Bis 1964 engagierte sich Max Mannheimer in unterschiedlichen jüdischen Hilfsorganisationen. Als seine zweite Frau 1964 an Krebs starb, schrieb Mannheimer seine Lebensgeschichte auf. Ursprünglich sollte den Text nur seine Tochter sehen. Mit seiner dritten Frau, der Amerikanerin Grace Franzen geb. Cheney, die er 1965 heiratete, bekam er seinen Sohn Ernst. Mannheimer arbeitete in München als Kaufmann, zuletzt bis zu seinem Ruhestand als Geschäftsführer eines Lederwarenhandels.

Mannheimer begann in den 1950er Jahren zu malen und signierte mit dem Namen ben jakov (Sohn Jakobs), um seinen Vater zu ehren. Am 23. September 2016 starb Max Mannheimer im Alter von 96 Jahren und wurde auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in der Garchinger Straße in München beigesetzt.

Erinnern an den Holocaust

Im Januar 1956 wirkte Mannheimer an einem Projekt der Wiener Library in London mit und berichtete von seinem Erleben im Nationalsozialismus. 1976 gelangten die Aufzeichnungen von 1964 in das Archiv in Dachau, wo sie im Frühjahr 1985 gefunden wurden, als die erste Ausgabe der Dachauer Hefte vorbereitet wurde. Mit der Veröffentlichung 1985 (2000 vollständig unter dem Titel Spätes Tagebuch erschienen) wurde Mannheimer als Zeitzeuge bedeutend. Er setzte sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus ein.

1986 lud der evangelische Pfarrer Mannheimer ein, in der Versöhnungskirche Dachau aus seinem Leben zu berichten. Das war der Beginn der Vortragstätigkeit Mannheimers über seine Erfahrungen im KZ, mit denen er Jugendliche wie Erwachsene (z. B. in Schulen und bei der Bundeswehr) über die Schrecken des Dritten Reiches und der Konzentrationslager aufklären und eine Wiederholung verhindern wollte. Mannheimer über seine Vorträge: „Ich komme als Zeuge jener Zeit in die Schulen, nicht als Richter oder Ankläger.“

Ab 1988 war Mannheimer Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau. Seit 1995 Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees.

Mannheimer war seit Herbst 1946 Mitglied der SPD. Seine Frau Elfriede, ebenfalls SPD-Mitglied, gehörte von 1952 bis 1960 dem Münchner Stadtrat an. Über seine Frau hatte er Kontakt mit vielen sudetendeutschen Sozialdemokraten. Die Mitgliedschaft in der Seliger-Gemeinde waren für ihn und seine Tochter Eva Fässler ganz selbstverständlich.

Ehrungen und Auszeichnungen

u.a.

Mannheimer wurde 1994 von der SPD-nahen Georg-von-Vollmar-Akademie mit dem Waldemar-von-Knoeringen-Preis ausgezeichnet, den die Akademie alle zwei Jahre an herausragende Persönlichkeiten verleiht, die in der Tradition der Arbeiterbewegung und der Ziele des demokratischen Sozialismus stehen.

2008 wurde er mit dem Wilhelm-Hoegner-Preis der SPD-Landtagsfraktion  und mit dem Wenzel-Jaksch-Gedächtnispreis der Seliger-Gemeinde ausgezeichnet.

2009 erhielt er die Ehrenbürgerschaft in seinem Heimatort Neutitschein.

Am 26. Mai 2012 erhielt er den Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft und am 12. September 2012 das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland.

 

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