Dr. Ludwig Czech

DR. LUDWIG CZECH (1870-1942)

Dr. Ludwig Czech ist eine ebenso große wie unbequeme Figur in der tschechisch-deutschen Geschichte. Mit seinem Engagement für die Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen zeigt Czech bis heute, dass es auch einen anderen Weg hätte geben können.

Dr. Ludwig Czech, geboren am 14.2.1870 in Lemberg (heute Ukraine), gestorben am 20.8.1942 im KZ Theresienstadt, war von 1920 bis 1938 Vorsitzender der DSAP. Von 1929 bis 1938 gehörte er der tschechoslowakischen Regierung als Fürsorgeminister an, von 1934 bis 1935 als Arbeitsminister und von 1935 bis 1938 als Gesundheitsminister. Czech gilt als maßgeblich verantwortlich für den integrativen Kurs der DSAP, der konstruktive Mitarbeit der deutschen Minderheit in der jungentschechoslowakischen Republik vorsah.

Der 1870 geborene Ludwig Czech war der zweitälteste Sohn eines Bahnbeamten, der seine Familie nur mühsam über Wasser halten konnte. Nach der Rückkehr der Familie nach Mähren begann Ludwig Czech ein Jurastudium in Wien. Dabei lernte er Victor Adler kennen, einen der Mitbegründer der österreichischen Sozialdemokratie. Dieser begeisterte den jungen Czech für die Ziele der Arbeiterbewegung.

Nach seinem erfolgreichen Studium in der Hauptstadt der Monarchie kehrte Czech nach Brünn zurück. Obwohl ihm klar war, dass er sich mit seinem Engagement für die Belange der Arbeiter eine bürgerliche Karriere in Österreich verbaute, blieb er der Bewegung treu. Er vertrat als Anwalt vor allem die Interessen von Arbeitern und engagierte er sich im Aufbau der Sozialdemokratischen Partei.

Czech schuf einen Arbeiterbildungsverein, richtete eine Bibliothek ein und übernahm 1897 die Redaktion des „Volksfreund“, dem sozialdemokratischen Blatt in Brünn. Sein Interesse lag aber vor allem auf sozialpolitischen Verbesserungen und Erleichterungen für die in Armut lebenden Arbeiter. Nach einigen Anstrengungen wurde er 1896 zum Obmann der Brünner Bezirkskrankenkasse gewählt. Diese nach heutigen Maßstäben eher rudimentäre Krankenversicherung versuchte er zu reformieren und umzubauen.

Als Czech dann 1905 in den Brünner Stadtrat gewählt wurde, setzte er sich weiter für die Schwachen ein. Er gründete die Deutsche Landeskommission für Kinderschutz und Jugendfürsorge in Mähren. Während des Ersten Weltkriegs folgte der Deutsche Sozialdemokratische Kinderfürsorgeverein, den Czechs Frau – er hatte 1906 Lilli Kafka geheiratet – bis zur Errichtung des Protektorats im März 1939 leitete.

Nach der Auflösung der Monarchie und der Entstehung der Tschechoslowakei leitete Czech Ende August 1919 in Teplitz den Parteitag zur Gründung der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei der Tschechoslowakei (DSAP). Er wurde zum ersten stellvertretenden Vorsitzenden hinter Josef Seliger gewählt. Bei den ersten freien Parlamentswahlen 1920 konnte Czech für den Wahlkreis Brünn in das Tschechoslowakische Parlament einziehen.

Seligers Nachfolger als Parteivorsitzender der DSAP nach dessen Tod 1920 wurde Dr. Ludwig Czech - ein vorsichtiger Mensch, welcher der astromarxistischen Richtung der altösterreichischen Sozialdemokratie sehr nahe stand. Die Austromarxisten suchten einen Kompromiss zwischen der marxistischen Orthodoxie und der Teilnahme am demokratischen Sozialismus.  Sie waren daher grundsätzlich internationalistisch eingestellt, ungeachtet der großen Schwierigkeit, diesen Standpunkt mit einer nationalen Diskriminierung in den Anfangsjahren der Tschechoslowakischen Republik zu vereinbaren. Czech war aus Brünn und damit nicht aus den Kerngebieten der deutschen Sozialdemokraten: Sie lagen im industrialisierten Nordböhmen. Hinzu kam, dass er Tschechisch sprach, das Zusammenleben mit der tschechischen Bevölkerung durchaus gewohnt war und seit jeher auf einen Ausgleich beider Bevölkerungsgruppen setzte. Damit fremdelte er bei den nordböhmischen Genossen, die meist aus rein deutschen Siedlungsgebieten kamen. Trotzdem gelang es ihm, die Partei zu stabilisieren und sie durch die unruhigen ersten fünf Jahre der Republik zu steuern.Czech war bis 1938 im Amt und er war deshalb mitverantwortlich für den Kurs der DSAP, im sozialpolitischen Interesse der von ihr vertretenen Arbeiterschaft den tschechisch dominierten Staat zu unterstützen und sich ab 1929 an verschiedenen Koalitionsregierungen zu beteiligen.

Der vorsichtige Kurs Czechs war auch das Ergebnis politischer Zwänge und es ist unbewiesen, ob Seliger durch ein eher gesamtsudetendeutsch orientierte Zielsetzung den Anliegen der Deutschen im Staate mehr genutzt hätte. Zum Beispiel musste Czech die durch Abspaltung der kommunistischen Linken erheblich geschwächte DSAP konsolidieren, den Jugendverband nahezu neu aufbauen und die Zusammenarbeit mit den teilweise in linkes Fahrwasser geratenen Gewerkschaften verbessern.

Zugleich musste sich die DSAP gegen die antideutsche Politik der tschechischen Bruderpartei und der von letzterer unterstützten Regierungskoalition behaupten. In der ersten Hälfte der Zwanziger Jahre wurde die tschechische Sozialdemokratie in der Parteipresse oft heftiger kritisiert als die KSC. Die DSAP befand sich in einem Dilemma: Sie musste versuchen, die sozialen und wirtschaftlichen Anliegen der sudetendeutschen Arbeiter im tschechoslowakischen Staat zu vertreten, ohne deren Wünsche im nationalpolitischen Bereich zu vernachlässigen – eine Aufgabe so schwierig wie die Quadratur des Kreises.

Unter seiner Leitung gehörte die deutsche Sozialdemokratie der Tschechoslowakei aber immer zu den Kräften, die den jungen Staat stützen und sich um die Verständigung zwischen Tschechen und Deutschen bemühten. 1930 trafen aber die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auch die Tschechoslowakei mit voller Wucht und läuteten eine Zeit der Krise ein. Die Arbeitslosenzahl und damit auch die Armut stiegen an, vor allem in der deutschen Bevölkerung. Czech reagierte, indem er Lebensmittelgutscheine austeilen ließ. Sie wurden unter dem Namen „Czech-Karten“ bekannt. Die gutgemeinte Aktion war allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und brachte ihm nicht nur positive Reaktionen ein.

Ab 1938 wurde er, nach der Abspaltung des Sudetenlands zugunsten des Deutschen Reichs im Rahmen des Münchner Abkommens, als Jude, Sozialdemokrat und Gegner der von den deutschen Nationalsozialisten gesteuerten SdP Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Nach seiner Verschleppung 1942 starb er im selben Jahr im KZ Theresienstadt.

Seine Verdienste als Minister

Dr. Czech schuf die erste und modernste Bezirkskrankenkasse der Monarchie im Jahr 1903, wo auch die Angehörigen krankenversichert waren. Das ist für uns heute eine Selbstverständlichkeit, aber damals war das nicht so.

Er gehörte seit dem Jahre 1929 ununterbrochen jedem Kabinett an. Zunächst war er Minister für soziale Fürsorge, wo er bleibende Leistungen, vor allem auf dem Gebiet der Jugendfürsorge, des Bergarbeiterschutzes, der Ernährungsaktionen für Arbeitslose vollbracht hat. Als Minister für öffentliche Arbeiten hat er den Bau von Zehntausenden Arbeiterwohnungen in Angriff nehmen lassen. Dann übernahm er das Ressort für öffentliches Gesundheitswesen und körperliche Erziehung. Diese Aufgabe war geprägt vom Kampf gegen den Krebs, von der Herz- und Rheumatikeraktion, der Bekämpfung der Infektions- und Berufskrankheiten, von der Fürsorge für das Krankenhauspersonal. Mit seiner Genesungsaktion für die Kinder der Arbeitslosen hat der sozialistische Minister in aller Stille ein großes Hilfswerk vollbracht. Zehntausende gesundheitlich schwer gefährdete Kinder aus den Krisengebieten sind in Erholungsheime mit kräftiger Kost verschickt und wieder aufgerichtet worden. ...(aus dem Nachruf im Internationalen Ärztlichen Bulletin – Zentralorgan der Internationalen Vereinigung Sozialistischer Ärzte – Nr. 3/4 1938)

 

Ludwig Czechs politisches Credo:

Gegen Kriegstreiberei -  für den Frieden

Gegen den Faschismus – für die Demokratie

Gegen nationale fronten – für die Zusammenarbeit der Nationen

Gegen das Krisenelend – für Arbeit und Brot

Gegen das kapitalistische Chaos – für die sozialistische Planwirtschaft

 

Zitate:

Czech sprach auf dem 8. Parteitages der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik in Teplitz-Schönau vom 17. bis 19. Oktober 1930 von der „Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit den proletarischen Parteien aller Nationen“.

 

Für Czech war eine gute Sozialpolitik die „Fürsorge für das Kind und die Jugend, Arbeiterschutz und Schutz für die wirtschaftlich Schwachen“. (auf dem 8. Parteitag der DSAP in Teplitz-Schönau vom 17. bis 19. Oktober 1930)

 

Czech erklärte auf dem dass die Verelendung des deutschen Siedlungsgebietes die Wähler „dem Faschismus in die Arme getrieben“ habe. (auf dem 10. Parteitag der DSAP in Brünn vom 20. bis 23. Juni 1935)

 

Hätten wir nicht ein in jahrzehntelanger Arbeit ausgebautes Netz von gesundheitlichen und sozialen Einrichtungen des Staates, der Selbstverwaltung, der Sozialversicherung und würden sich nicht in der freiwilligen Fürsorgearbeit tausende und abertausende Herzen und Hirne unermüdlich und hingebungsvoll regen, stünden wir am Rande der zurückliegenden sieben Krisenjahre vor außerordentlich betrüblichen Erscheinungen. (aus dem Rechenschaftsbericht des Ministers für das öffentliche Gesundheitswesen Dr. Ludwig Czech vom 20.11.1936 – erschienen in: Internationales Ärztliches Bulletin – Zentralorgan der Internationalen Vereinigung Sozialistischer Ärzte – Nr. 9/10 1936)

 

Die rheumatischen Krankheiten sind eines jener Leiden, das die arbeitenden Menschen in ihrem fortgeschrittenen Stadium einfach niederwirft, sie vorzeitig arbeitsunfähig macht und nicht nur drn von ihr ergriffenen Opfern und deren Familien, sondern auch der ganzen Wirtschaft die schwersten Schläge versetzt. (aus dem Rechenschaftsbericht des Ministers für das öffentliche Gesundheitswesen Dr. Ludwig Czech vom 20.11.1936 – erschienen in: Internationales Ärztliches Bulletin – Zentralorgan der Internationalen Vereinigung Sozialistischer Ärzte – Nr. 9/10 1936)

 

Gesetzliche Ausschaltung der Mütter von schwerer und gesundheitsgefährlicher Arbeit, Ausdehnung der gesetzlichen Schutzfrist vor und nach der Geburt, reichlichster Kinderschutz, Stärkung des Organismus der Mutter und des Kindes durch ausreichende Nahrung , gute Wohnverhältnisse usw. , darauf kommt es an, wenn wir die Zukunft unseres Volkes sichern wollen. (durch Senkung der Kindersterblichkeit) (aus dem Rechenschaftsbericht des Ministers für das öffentliche Gesundheitswesen Dr. Ludwig Czech vom 20.11.1936 – erschienen in: Internationales Ärztliches Bulletin – Zentralorgan der Internationalen Vereinigung Sozialistischer Ärzte – Nr. 9/10 1936)

 

Ich glaube, dass wir im abgelaufenen Jahr in unserer Arbeit ein gutes Stück vorwärts gekommen sind, wenn auch nicht weit genug, um die Hände in den Schoß legen zu können. (aus dem Rechenschaftsbericht des Ministers für das öffentliche Gesundheitswesen Dr. Ludwig Czech vom 20.11.1936 – erschienen in: Internationales Ärztliches Bulletin – Zentralorgan der Internationalen Vereinigung Sozialistischer Ärzte – Nr. 9/10 1936)

 

 

 

 

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