Leopold Pölzl


Text/Bild: Thomas Schmid • 17. September 2015 – vorwärts.de

Leopold Pölzl: Tapfer gegen die Nazis – bis zum Tod


 

Der sozialdemokratische Bürgermeister Leopold Pölzl kämpfte im Sudetenland gegen die Nationalsozialisten, auch nach dem Einmarsch der Wehrmacht 1938. Für diesen Mut musste er einen hohen Preis zahlen.

Ein jedes Menschenleben ist der Erinnerung wert. Und doch, es gibt Menschen, denen ganz besonderes Unrecht zugefügt wird, wenn sie vergessen werden. Solch ein Mensch ist Leopold Pölzl, ein aus Niederösterreich stammender Sozialdemokrat. In schwieriger Zeit war er Bürgermeister im sudetendeutschen Aussig (Ústí nad Labem). Als das Sudentenland 1938 von Deutschland besetzt wurde, verlor Pölzl sein Amt. Er weigerte sich, in das noch sichere Prag auszuweichen. Er blieb und wurde im Widerstand gegen das NS-Regime aktiv.

Leopold Pölzl und die Emanzipation der Arbeiter

Pölzl wurde 1879 in St. Aegyd geboren. Er erlernte den Beruf seines Vaters und wurde Feilenhauer, fertigte neue und schärfte alte Feilen. Früh engagierte sich der wissensgierige junge Mann in der sozialdemokratischen Bewegung, in Villach machte man ihn zum Gewerkschaftssekretär. Dabei muss er mit seinem Talent aufgefallen sein. 1911 holte ihn ein hoher Gewerkschaftsfunktionär, der im damals noch zum k.u.k.-Reich gehörenden Aussig bei der Parlamentswahl knapp dem bürgerlichen Kandidaten unterlegen war, nach Aussig. Plözl sollte die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SAP) am Ort reorganisieren. Kaum angekommen, musste Pölzl in den Ersten Weltkrieg.

Als er 1918 unverletzt nach Aussig zurückkam, war er plötzlich nicht mehr Österreicher, sondern Bürger der neu gegründeten Tschechoslowakei. Die großdeutsche Lösung, um die es schon 1848 gegangen war, wäre ihm lieber gewesen. Aber als kluger Realist fügte er sich in das neue Gemeinwesen, das er fortan – trotz deutsch-feindlicher Invektiven aus Prag – tatkräftig unterstützte. Er muss ein guter Organisator gewesen sein: Bei der Kommunalwahl 1919 erreichte die DSAP sensationelle 48 Prozent der Stimmen. Pölzl beschritt einen Weg, den damals viele Arbeiter gingen, die sich der Emanzipation der arbeitenden Klassen widmeten: Er wurde Journalist, um über das Elend des Proletariats schreiben und die Arbeiter mobilisieren zu können. Er schrieb eine Reihe von Reportage über Wohnungen und Lebensverhältnisse im Aussig der Zwischenkriegsjahren die nun unter dem Titel „Die im Dunkeln leben“ veröffentlicht wurden.

 

Als der gewählte Bürgermeister ein halbes Jahr später starb, folgte ihm der in Verwaltungsfragen unerfahrene Pölzl nach. Binnen kurzem wurde er zu einer Respektsperson. 1923 siegte ein Bündnis aus Bürgerlichen und Nationalisten, doch Pölzl wurde dennoch zweiter Bürgermeister – um 1931 erneut Bürgermeister zu werden. Er tat viel für den Wohnungsbau. Die Arbeitslosenquote sank inmitten der Weltwirtschaftskrise auf drei Prozent! Er warb für die Ankunft der arbeitenden Klassen in der bürgerlichen Kultur, bekämpfte entschlossen die Kürzungen der Kulturetats. Er engagierte sich in den kommunalpolitischen Vereinigungen der tschechoslowakischen Republik, in denen der sozialdemokratische Staatsfreund eine wichtige Stimme war.

Sofortige Amtsenthebung durch die Nazis

Nach der Annexion des Sudetenlandes durch NS-Deutschland 1938 war damit Schluss. Leopold Pölzl wurde sofort seines Amtes enthoben. Er musste, eine Demütigung von vielen, die Straße vor dem Rathaus fegen. Die Gestapo inhaftierte ihn, auch da Demütigungen. Seine Tochter Elfriede, eine Opernsängerin, wurde, weil sie das NS-Regime ablehnte, ebenfalls verhaftet und kam in das Konzentrationslager Sachsenhausen, aus dem sie erst 1945 befreit wurde.

Leopold Pölzl gründete eine Widerstandsgruppe, die Flugblätter verteilte und deutschen Exilanten, später Kriegsgefangenen half. Am 1. September 1944 starb er unter nie geklärten Umständen im Krankenhaus von Aussig. Obwohl Reden bei seiner Beerdigung verboten waren, wurde diese zu einer politischen Demonstration: Mehrere Tausend Bürger kamen. Im August 1945 wurden die verbliebenen Deutschen im Massaker von Aussig vertrieben oder getötet. Das war das Ende der komplizierten, aber tragfähigen Koexistenz zwischen Deutschen und Tschechen im Sudetenland.


 

 

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