Emil Strauß

Emil Strauß (1889-1942)

Emil Strauß, geboren am 17.4.1889, entstammt einer deutschsprachigen jüdischen Familie in Prag. Er studierte Geschichte und engagierte sich schon vor dem Ersten Weltkrieg für die Arbeiterbewegung und die deutsche Sozialdemokratie in der Hauptstadt Böhmens. Nach dem Krieg stieg er sogar zum Vorsitzenden der Prager DSAP auf. Er zählte bis 1921 zu den engen Mitarbeitern Josef Seligers und heiratete dessen Tochter. Mit seinem zweiteiligen Werk zur Entstehung der Sozialdemokratie in Böhmen hat er sich als Historiker besondere Verdienste erworben. Es ist kaum bekannt, unter welchen Schwierigkeiten Emil Strauß sein Werk geschaffen hat. An den Vormittagen durfte er im böhmischen Landesarchiv forschen, aber nachmittags nahm ihn die Redaktionsarbeit in Anspruch. Zum Schreiben blieben ihm nur die Abendstunden übrig, und oft saß unser Freund in jener Zeit bis tief in die Nacht am Schreibtisch. Es war ein Segen, dass Strauß, der geschulte Historiker das Werkzeug des Forschers souverän beherrschte. In den Archiven fühlte er sich heimisch wie selten einer. Schon als Student hatte er sich lebhaft für die Geschichte der Arbeiterbewegung interessiert und in den Archiven gewühlt. Dies alles kam ihm nun zustatten.

Er blieb aber dem politischen Journalismus treu. Ab 1921 wirkte er in Prag als Redakteur und 1935–38 als Chefredakteur des Zentralorgans der DSAP, dem „Sozialdemokrat“. Zudem leitete er den „Nordböhmischen Volksboten“ und entwickelte sich mit Themen aus der Nationalökonomie, der Geschichte der Arbeiterbewegung und der tschechoslowakischen Zeitgeschichte zu einem der wichtigsten sozialdemokratischen Publizisten in der Tschechoslowakei. Wir verdanken Emil Strauß eine Schilderung der sozialen Verhältnisse der einzelnen Zeitabschnitte, in denen sich die Arbeiterbewegung formierte, wir verdanken ihm eine nicht minder bedeutsame Darstellung der Entwicklung der sudetendeutschen Industrie. In den Büchern von Strauß ist alles festgehalten, was wir über die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme im böhmischen Raum jener Zeit wissen müssen.

Strauß arbeitete in der Zentralstelle für Bildungswesen der Partei und war von 1932 bis 1938 Mitglied des Parteivorstands. Ab 1928 gehörte er der Landesvertretung von Böhmen, ab 1929 dem Direktorium der (staatl.) böhmischen Landesbank und ab 1932 dem Landesschulrat sowie dem Wirtschaftsbeirat der Tschechoslowakei an.

„Warum ist Emil Strauß zugrunde gegangen? Warum starb er vor der Zeit als agiler 53jähriger – denn er war schon ein toter Mann, als er im März 1939 der Gestapo in die Hände fiel, lange bevor er in der Gaskammer von Auschwitz sein Leben aushauchte?“, fragt Ernst Paul in einem Artikel der BRÜCKE 1954.

Paul führte dazu aus: Es war kein Zufall, dass Emil Strauß nicht ins freie Ausland gerettet werden konnte. Er liebte das Leben und es lag ihm nicht, physischer Gefahren zu trotzen. Niemals machte er daraus einen Hehl. Er selbst berichtete davon, wie man ihn im ersten Weltkrieg – gegen seinen Willen – als Akademiker zum Offizier gemacht und an die Spitze einer Infanterieabteilung gestellt hatte. Da schlug er sich bei einem Angriff gegen die Russen seitwärts in die Büsche und stellte sich tot, damit er mit dem Leben davonkam. Wer möchte ihm daraus einen Vorwurf machen? Auch er konnte das morsche Altösterreich auf dem Schlachtfeld nicht mehr retten. Aber es soll auch nicht verschwiegen werden, dass der „feige“ Soldat den Mut besaß, Menschen zu retten, wo es darauf ankam und wo er dies mit geistigen Mitteln tun konnte. Strauß war einer der Verteidiger der meuternden Matrosen von Cattaro. Er weigerte sich, im Herbst 1938 in die Emigration zu gehen. Die Gründe: Der aus der Prager Fischgasse stammende, einem alten Prager Geschlecht angehörende Mann liebte seine Heimatstadt.  Er wollte seinen betagten Vater nicht verlassen. Und er vertraute auf die demokratische Gesinnung des tschechischen Volkes, dem – so hörte man es damals und hört man es auch heute noch oft im Ausland – der Antisemitismus ein Gräuel ist. (Welch ein Irrtum: Anmerk. der Redaktion)

Schließlich ließ er sich davon überzeugen, dass es auch für ihn keine Chance gebe, sich in Prag halten zu können. Wir suchten für ihn sofort um ein Visum nach England nach. Es dauerte runde drei Wochen, ehe dieses eintraf. Dann wurde er für einen Transport eingeteilt. Da kam der 15. März 1939 – die Besetzung Prags durch Hitlers Armee. Nur wer sehr beherzt war, konnte da noch versuchen, sich durchzuschlagen. Emil Strauß gelang dies nicht. Er wurde am 2. April von der Gestapo verhaftet und trat nun die qualvolle Wanderung durch Gefängnisse und Konzentrationslager an. Schließlich landete er in Dachau, wo Kurt Schumacher für ihn eintrat, als die Kommunisten ihn schikanieren wollten. Alois Ullmann, ein Mithäftling, konnte ihn längere Zeit schützen und verbergen helfen, aber als nur noch wenige Juden im Lager waren, wurde Strauß entdeckt und nach Buchenwald transportiert. Kurze Zeit später schickte man ihn in das Vernichtungslager Auschwitz. Dort ist er am 11. November 1942 vergast worden. Mit ihm starben seine Tochter und seine Enkelin in Hitlers Vernichtungslager. Anni, seine Witwe und Tochter Josef Seligers, blieb weitgehend unbehelligt. Sie übersiedelte nach der Vertreibung nach Australien.

Dass Emil Strauß zugrunde ging, weil er vertraute, wo kein Vertrauen mehr am Platze war, dass sein Leben, das hätte gerettet werden können, ein zu frühes Ende fand, schmerzt tief. Für den unheldischen und doch großen Menschen zeugt sein Werk, das unvergänglich ist.

Die Nazis haben seine Bücher verbrannt, doch mit Hilfe der Seliger-Gemeinde konnte u.a. die Biografie zu Josef Seliger, die er zusammen mit Josef Hofbauer geschrieben hat, erstmalig auch auf Tschechisch erscheinen.

 

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