Frühjahrsseminar 2022

Veröffentlicht am 03.05.2022 in Allgemein

Stellten sich der Diskussion mit den Mitgliedern der Seliger-Gemeinde: Vladimír Špidla (stehend, re.), Leiter der Demokratischen Masaryk-Akademie, „Rekultivator“ Ing. Stanislav Stys (sitzend 2.v.li.), Rotary-Club-Präsident Ing. Jaroslav Huráb stehend, 3.v.l.), Rotary-Club-Sekretär Ing. Mailand Machovec (sitzend 4.v.l.), Dipl. Ing. Rudolf Kasper (sitzend, verdeckt,6.v.li.) sowie Gastgeber und Rotarier-Mitglied Museumsdirektor Michal Soukup (sitzend 5.v.li.).

Most: Ökologischer Stadtumbau - oder was kommt nach der Kohle?

Diskussionsrunde der Seliger-Gemeinde mit Vertretern des Rotary Club Most

Thomas Oellermann, Organisator des Seliger-Gemeinde Frühjahrsseminars, hat auch für die Exkursion nach Most das Thema des Alexandersbader Forums, die Transformation der Industrieregion auf dem Weg in die grüne Zukunft aufgenommen und zusammen mit Peter Wesselowsky eine Diskussionsrunde im Regionalmuseum organisiert.

Vladimír Špidla, der ehemalige Ministerpräsident (2002 bis 2004) der Tschechischen Republik und EU-Kommissar (2004 bis 2010 ) für Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit sowie Vertreter des Rotary Clubs Most begleiteten die Seliger-Gemeinde auf ihrer Exkursion in Most. Špidla ist seit 2011 Leiter der Demokratischen Masaryk-Akademie, der Denkfabrik – auch Thinktank – der tschechischen Sozialdemokratischen Partei ČSSD, mit der die Seliger-Gemeinde eine enge Zusammenarbeit pflegt. Rotary-Club-Präsident Ing. Jaroslav Huráb, Sekretär Ing. Mailand Machovec und Dipl. Ing. Rudolf Kasper sowie Ing. Stanislav Stys konnten aus eigenen Erfahrungen die Veränderungen in der Wirtschaftsregion Ústi/Aussig und speziell in Most kommentieren. Seit seinem Bestehen im Jahr 1996 hat der Rotary Club Most vierunddreißig Projekte durchgeführt: u.a. zum Wiederaufbau und Modernisierung der Küche des Zisterzienserklosters, dem Wiederaufbau der Küche des Kinderheims in Most oder die Erneuerung der Dacheindeckung des Altenheims. Die heute 34 Mitglieder sind in den unterschiedlichsten Berufen tätig, von Rechtsanwälten, Ärzten, Versicherungsmaklern, Computerexperten und Wirtschaftsprüfern bis hin zu Druckereibesitzern, Pfarrern usw. – die Rotarier in Most wissen also, wo in der Stadt Most Not am Mann ist.

Nachdem Thomas Oellermann die Erkenntnisse aus dem Alexandersbader Forum vorgestellt hatte, erklärte Rotary-Club-Sekretär Ing. Mailand Machovec, dass es auch in der Region Most zwei neue Industriegebiete gibt, in denen sich weltweit agierende Firmen sowie mittelständische Firmen angesiedelt hätten.

Der Rotary-Club Most sieht für die nächsten 50-60 Jahre vor allem die Photovoltaik und die Energiespeicherung im Tagebaugebiet als Zukunftstechnologie an. Die entstehenden Seen sollen untereinander verbunden als Pumpspeicherkraftwerke funktionieren. Weiter sei der Ausbau der Naherholungsgebiete und die damit verbundene Steigerung der Lebensqualität eine realistische Zukunftsvision, so Machovec. Es zeige sich, dass der Dienstleistungssektor stark zunehme und die Produktion nur noch 10 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmache. Trotzdem habe man immer noch mit dem Wegzug von – vor allem jungen – Arbeitskräften zu kämpfen. Hier sei die Anziehungskraft der Städte Prag, Pilsen und Brünn einfach zu groß.

„Besser so eine Arbeit als keine Arbeit!“

Machovec meinte weiter, dass es schon Sorge bereite, dass man nicht genau wisse was komme. Die Menschen, die hier vor allem von der Kohle, der Energie und dem Bergbau lebten, bräuchten eine Perspektive. Die Region liege mit 6 Prozent Arbeitslosigkeit weit über dem tschechischen Durchschnitt (3 Prozent). Angesprochen auf die Qualität der Arbeit erklärte er, dass die geringe berufliche Qualifikation der vorhandenen Arbeitskräfte ein großes Problem sei. Schnell kam die Sprache auf die in Most lebenden Roma, mit all den bekannten Klischees. Hier vertritt der Rotary-Club die Ansicht „besser so eine Arbeit als keine Arbeit!“

Die Rotarier bestätigten die Einschätzung, dass es in der Region wenig Privatunternehmer gäbe, was aber auch daran liege, dass die Gewerbeflächen in der Hand weniger großer Firmen liegen und deshalb passende Grundstücke nicht zur Verfügung stünden.

Große Defizite, so war sich die Diskussionsrunde einig, gebe es in Sachen Partizipation. Das Einbinden der Leute in den Transformationsprozess benötige große Expertise in der Begleitung eines so langwierigen Prozesses. Es sei, wie von der Seliger-Gemeinde aufgrund der Erkenntnisse aus dem Alexandersbader Forum am Vortag angesprochen, richtig, dass der Einfluss der Politik – von der Bevölkerung ganz zu schweigen - auf die Entscheidungsprozesse sehr gering seien. Die Investoren kämen, suchten sich ihre Leute über die Arbeitsagenturen (Leihfirmen) und machten ihr Ding.

Um eine Umkehr der Verhältnisse zu erzwingen, ist es nach Meinung der Rotarier nötig die Verkehrsinfrastruktur auszubauen, in Wohnungen und in Bildung zu investieren, Universitäten und Hochschulen zu bauen. Hier habe die Politik versagt.

„Es war einfach nicht üblich die betroffenen Menschen einzubinden“.

Hier war natürlich Vladimír Špidla gefragt, der als Ministerpräsident und Regierungschef in der Verantwortung stand. Špidla berichtete, dass sich seine Regierung in der Frage der Transformation an Beispielen aus Deutschland (Ruhrgebiet), Frankreich und Luxemburg orientiert habe. Der Umstrukturierungsprozess könne aber nur gelingen, wenn Gewerkschaften, Unternehmer und Politik an einem Strang zögen. Ideen und Wünsche zur Transformation der Bergbauregion habe es schon vor der Wende gegeben, man habe aber nicht genug Konsequenz an den Tag gelegt und mehrere Neuanfänge hinter sich. Daran sei natürlich auch der oftmalige Regierungswechsel in den vergangenen Jahrzehnten schuld. In Tschechien, wie im ganzen Ostblock, habe die Partizipation der Bevölkerung bei wichtigen Entscheidungen keine Tradition, „es war einfach nicht üblich die betroffenen Menschen einzubinden“.

Nun als Direktor der Demokratischen Masaryk-Akademie und in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung Prag ist es möglich entsprechende Verfahren zur Partizipation zu begleiten. Es gebe inzwischen mehrere Firmen und Organisationen, die hier tätig seien.

In der Diskussion kamen weiter die Beispiele aus dem Ruhrgebiet zur Sprache, wo Industrieanlagen in Kulturtempel verwandelt würden, und es wurde auf die Region Ostrava im Osten Tschechiens verwiesen, wo man solche Wege gehe. Für den Raum Most habe man bisher wenig Konzepte, allein die Vision eines Dokumentationszentrums zur Transformation der Bergbauindustrie in eine grüne Zukunft – was lt. Ing. Stanislav Stys ja schon mehr als 200 Jahre andauere – werde diskutiert.

Trotz allem sehen die Rotarier Most eine stete Verbesserung der Situation und damit optimistisch in die Zukunft.

 

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