Frühjahrsseminar 2018 in Bad Alexandersbad

Veröffentlicht am 06.05.2018 in

Das sogenannte Egerer Stöckl (Špalíček) gehört zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt Eger/Cheb. Dieses Wahrzeichen des Marktplatzes ist ein Komplex von elf teilweise in Fachwerk ausgeführten Häusern, in denen jüdische Kaufleute wohnten. Nach der ältesten Darstellung aus dem Jahr 1472 gab es ursprünglich drei solcher Häuserblöcke, der Grundriss der beiden anderen Blöcke bleibt bis zur heutigen Zeit nachvollziehbar, doch die verfallene Bausubstanz blieb bei den Restaurierungsarbeiten in den 1960er Jahren nicht erhalten.

 

Themenspaziergang „Schicksale Egerer Juden“

In Eger bestand - nach Prag - die älteste jüdische Gemeinde Böhmens

 

Die westböhmische Stadt Cheb (Eger) gehört zu den ältesten und historisch wertvollsten tschechischen Städten. Dank der großen Anzahl hervorragend erhaltener Denkmäler und einer authentischen mittelalterlichen Atmosphäre gehört Cheb zu den schönsten Städten der Tschechischen Republik. Die Stadt Eger ist das historisches Zentrum des Egerlandes. Eger wurde am 13. Februar 1061 das erste Mal urkundlich als Egire genannt. Ab dem 14. Jahrhundert sind beide Ortsnamen Eger und Cheb dokumentiert, 1374 sogar im selben Text, „Egra in boemica lingua Cheb“. Wichtige Persönlichkeiten, die mit der ehemaligen Reichsstadt Eger in geschichtlichem Zusammenhang stehen, sind Kaiser Friedrich Barbarossa, König Friedrich II., Ludwig der Bayer sowie der böhmische König Johann.

 

 

Beim Themenspaziergang mit der Historikerin Gábina Ubryová zum Thema „Schicksale Egerer Juden“ lernten die Teilnehmer die Stadt unter diesem ganz besonderen Aspekt kennen. Das für die deutsch-tschechische Geschichte so schicksalhafte Jahr 1938 hatte tragische Konsequenzen für die jüdische Bevölkerung der Sudetengebiete. Sie wurde, wenn Flucht und Emigration nicht gelangen, verfolgt, deportiert und in der großen Mehrheit in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern ermordet.

 

Bereits im 13.Jahrhundert gab es in der Stadt Eger eine jüdische Gemeinde, die mit zahlreichen Privilegien der böhmischen Könige ausgestattet war. Ihre Angehörigen bewohnten einen eigenen Stadtteil und besaßen schon damals alle städtische Bürgerrechte. Die mittelalterliche Gemeinde wurde aber durch ein Blutbad im Jahre 1350 innerhalb weniger Stunden vernichtet - ein fanatischer Mönch hatte die Massen gegen die Juden der Stadt aufgehetzt; die meisten jüdischen Bewohner wurden getötet, nur wenige konnten entkommen. Die Gasse, in der die meisten Morde geschahen, wurde noch in jüngster Zeit „Mordgässchen“ genannt.

 

Doch bereits wenige Jahre später bildete sich erneut eine kleine Gemeinde; ihr wurde in Eger eine Gasse - die spätere Bruder- und Rosengasse - zugewiesen, wo auch ihre Synagoge stand; es war der gleiche Bau, der bereits vor 1350 gottesdienstlich genutzt, nun zurückgekauft und vergrößert worden war. Auch einen neuen Friedhof - vor dem Obertor nahe dem Nonnenhof - durften die Juden anlegen; ein Privileg Karls IV. aus dem Jahre 1364 hatte ihnen die Schaffung dieser beiden Gemeindeeinrichtungen zugestanden.

 

Zur damaligen Zeit galt Eger als Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit; als einer ihrer berühmtesten Lehrer galt Rabbi Nathan. Aus der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts stammt eine der ältesten hebräischen Handschriften Böhmens, die sog. Egerer Bibel.

 

1400 wurden von König Wenzel IV. seine „Kammerknechte“ in Eger gegenüber den anderen Stadtbürgern gleichgestellt; doch 1430 ließ der gleiche Herrscher die Egerer Juden aus der Stadt vertreiben; das vom König dem Stadtrat zugesicherte Vertreibungsprivileg basierte darauf, dass Juden für Betrügereien verantwortlich gemacht wurden. Die Vertriebenen durften ihre bewegliche Habe, Pfänder und Schuldbriefe mitnehmen; ihre Immobilien hingegen fielen an die Stadt; die Synagoge wurde in eine christliche Kapelle umgewandelt. – Bereits fünf Jahre später erfolgte eine Wiederaufnahme jüdischer Familien in der Stadt. In der Folgezeit wurden Juden mal geduldet, mal vertrieben; im Jahre 1497 wurde die Stadt Eger durch königliches Privileg erneut ermächtigt, die Juden zu vertreiben und „gütlich abziehen zu lassen“; allerdings sollte die Ausweisung erst mit Ablauf ihrer Schutzbriefe erfolgen; wann dies geschah, ist nicht bekannt.

 

Seit Ende des 17. bis Mitte des 18.Jahrhunderts existierte wieder eine kleine jüdische Gemeinde. Gegen Mitte des 18.Jahrhunderts sollen dann keine Juden in nennenswerter Zahl mehr in Eger gelebt haben. Erst nachdem ihnen Gleichheit vor dem Gesetz garantiert worden war, siedelten sich nach 1850 erneut jüdische Familien in der wirtschaftlich aufstrebenden Stadt an. Der erste Jude, der sich hier niederließ, war Ariel Löwy aus Königswart, der ein Bankgeschäft betrieb.

 

Im Jahre 1862 bildete sich ein religiöser Verein, zehn Jahre später eine Kultusgemeinde, die anfangs über einen angemieteten Betsaal in der Schulgasse und eine Religionsschule verfügte. Ende der 1860er Jahre wurde in einem angekauften Gebäude in der Schiffgasse (im Gasthaus „Zur Krone“) eine Synagoge eingerichtet, die mehr als zwei Jahrzehnte gottesdienstlichen Zusammenkünften diente. Ein bereits zuvor geplanter und bereits auch begonnener Synagogenbau war gescheitert. Ein neuer Synagogenbau entstand 1892/1893; er war an der Ecke Gschierstraße/Ringstraße in einem Parkgelände nach Entwürfen Karl Haberzettls von Baumeister Leo Buchen erbaut worden und mit „außerordentlichem Glanze“ Ende Juli 1893 eingeweiht worden; seine monumentale vergoldete Kuppel war weithin sichtbar. Die Festansprache hatte der Karlsbader Rabbiner gehalten.

1872 erwarb die jüdische Gemeinde ein kleines Areal und legte hier ihren Begräbnisplatz mit Taharahaus an. Bei Bauarbeiten zu Beginn des 20.Jahrhunderts sind einige Grabsteine des alten mittelalterlichen Friedhof am „Judenhof“ in der Brudergasse entdeckt worden; ansonsten sind keine sichtbaren Reste der beiden alten Friedhöfe vorhanden.

 

Ab den 1870er Jahren wuchs die Zahl der Gemeindeangehörigen stetig an und erreichte Mitte der 1930er Jahre mehr als 500 Personen, ca. 1,5 Prozent der Bevölkerung.

 

Von außen gesteuerte Übergriffe auf die tschechische und jüdische Bevölkerung der Stadt kündigten in Eger im Spätsommer 1938 die deutsche „Übernahme“ bereits an. Je mehr sich die politische Lage zuspitzte, desto mehr Juden und Tschechen flüchteten in das tschechische Kernland; eine Massenfluchtbewegung setzte ein, als in den letzten Septembertagen 1938 die deutsche Besetzung immer mehr zur Gewissheit wurde.

 

Nach der Besetzung des Sudetenlandes wurde innerhalb kürzester Zeit die jüdische Gemeinde in Eger vernichtet. Während der Kristallnacht wurden die beiden Synagogen in Eger von den Nationalsozialisten in Brand gesetzt und zerstört; zurück blieben Ruinen. Auf dem Gelände des Tempelplatzes entstand in den Kriegsjahren ein Luftschutzteich. Auch den jüdischen Friedhof ließen die NS-Behörden dem Erdboden gleichmachen; bauliche Überreste der ehemaligen jüdischen Gemeinde Egers sucht man heute deshalb vergebens. Am 13.November 1938 wurde behördlicherseits verkündet: „Eger ist ganz judenrein!“ Nur ein kleiner Teil der Juden Egers, etwa 60 bis 80 Personen, überlebte den Holocaust.

 

In den ersten Nachkriegsjahren bildete sich aus „Ost-Rückwanderern“ wieder eine jüdische Gemeinschaft; sie zählte knapp 200 Personen. Doch bereits ab 1947 emigrierten die meisten wieder, vor allem nach Israel.

 

Seit 2004 erinnert eine Tafel - mit tschechischer und englischer Beschriftung - an die einstige jüdische Gemeinde von Eger und deren Synagoge.

 

 

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