Spurensuche im Böhmerwald

Veröffentlicht am 21.04.2021 in

„All Frei!“ - Arbeiter-Radfahr-Verein Krumau

Gründung am 15. Oktober 1910 – Berichte aus dem Böhmerwald Volksboten, Krumau*

 

Achtung Arbeiter-Radfahrer von Krumau und Umgebung“. Am 14. Oktober 1910 berichtet der Böhmerwald Volksbote über die bevorstehende Gründung eines Arbeiter-Radfahr-Vereins: Der Arbeiter-Radfahrverein für Krumau und Umgebung wolle am nächsten Tag, Samstag, den 15. Oktober 1910, abends um 8 Uhr, im Arbeiterheim in Krumau seine konstituierende Versammlung abhalten. „Radfahrer, erscheint vollzählig und meldet euren Beitritt an!“ fordert der Böhmerwald Volksbote und berichtet, dass die Einschreibegebühr 60 Heller betrage. Außerdem gibt er einen guten Rat: „Es empfiehlt sich, schon jetzt dem Vereine beizutreten, damit ihr bei Beginn der nächsten Fahrsaison im künftigen Frühjahre die Karenzfrist erreicht habt. Auch auswärts Wohnende können dem Vereine beitreten“. Der Arbeiter-Radfahrer-Gruß „All Frei!“ sollte nun auch durch den Böhmerwald hallen.

 

Wie am 21. Oktober 1910 berichtet wurde, war die Konstituierung des Arbeiter-Radfahrer-Vereins für Krumau und Umgebung am 15. d.M. erfolgreich und es haben sich bereits 28 Mitglieder eingeschrieben. Es sei zu erwarten, dass sämtliche Arbeiter-Radfahrer von Krumau und Umgebung bis zur nächsten Fahrsaison dem Verein beitreten. Anmeldungen nehmen entgegen der Obmann Ignatz Hudler sowie der Kassierer Josef Schneider, beide in Krumau, Arbeiterheim. Ignatz Hudler war zu dieser Zeit auch Herausgeber und Verleger des Böhmerwald Volksboten in Krumau.

 

Die Mitgliedschaft beinhaltete, neben der sportlichen Komponente, auch eine versicherungstechnische: „Unter der Devise: ´Einer für alle, alle für einen!´ stehen alle Organisationsangehörigen dem Verunglückten bei. Durch gemeinsames Wirken ist es möglich, den Mitgliedern der Arbeiter-Radfahr-Organisation folgende Begünstigungen zu sichern: Im Falle einer Verletzung durch Sturz vom Rade für jeden Tag der folgenden Erwerbsunfähigkeit 3 Kronen erste Klasse und 2 Kronen zweite Klasse Unterstützung bis zur Dauer von 30 Wochen. - Im Falle eines Sturzes mit schwerer Verletzung auf einer Radpartie Rückersatz der Kosten für erste ärztliche Hilfe und Transport des Verletzten samt dem Fahrrad nach Hause. - Rechtsschutz in aus dem Radfahren entspringenden Streitfällen unpersönlicher Natur durch kostenlose Beistellung eines Rechtsanwaltes. - Für Mitglieder der ersten Klasse eine Unterstützung von 50 Kronen, wenn ihnen das Rad ohne ihr Verschulden gestohlen und nicht mehr zustande gebracht wird. - Im Falle eines Sturzes mit tödlichem Ausgange eine Unterstützung an die Hinterbliebenen in der Höhe bis 1000 Kronen in der ersten Klasse und 500 Kronen in der zweiten Klasse. - Nach längerer Mitgliedsdauer einen Leichenkostenbeitrag von 50 Kronen in jedem Falle“.

Natürlich war auch der kostenlose Bezug des Verbandsorgans „Der Arbeiter-Radfahrer“ inbegriffen, welches die Mitglieder über alles Wissenswerte auf dem Gebiet des Radfahrwesens unterrichtet. Beachtenswert ist die Aussage, dass die „freie Grenzüberschreitung in die benachbarten Länder“ durch die Mitgliedschaft gewährleistet ist. Der Artikel schließt mit der Empfehlung: „Die Vorteile der Organisation sind so groß, dass kein Radfahrer auf dieselben verzichten und daher Mitglied eines Arbeiter-Radfahrer-Vereines werden soll“.

Eine Werbeanzeige am 20. April 1912 lässt erkennen, dass ein Mitglied des Arbeiter-Fahrrad-Vereins Krumau seiner Passion zum Geschäft machte: „Arbeiter und Parteigenossen decken ihren Bedarf in Fahrrädern und Fahrradbestandteilen nur bei Genossen Josef Schneider, Fahrradhändler, Krumau.“

 

Schon am 11. Mai 1912 kündigt der Arbeiter-Fahrrad-Verein Krumau per Anzeige seine festliche Bannerenthüllung am bevorstehenden Pfingst-Wochenende an. Im Vorbericht am 25. Mai 1912 ist zu lesen: „Die Arbeiter-Radfahrer schufen sich schon seit langem einen Verein, um ihre Interessen als solche zu vertreten, d.h. sich gegen Schaden bei Unglücksfällen an Person und Rad zu versichern. Mit der Gründung des Vereines wurde auch der Gedanke wach, ein Banner möge den Mittelpunkt bilden, um dass sich ihre Genossen fester scharen. Dank des unermüdlichen Sammelfleißes der Genossen war bald ein kleiner Fonds geschaffen, der auch bald den festen Entschluss zur Reife brachte. Der Gedanke ist zur Wirklichkeit geworden, der fast für unausführbar schien“. Am Pfingstsonntag sollte nun die Enthüllung stattfinden. Viele Genossen und Freunde wurden aus dem ganzen Böhmerwald erwartet, um an dem Fest der Krumauer teilzunehmen.

 

Die Bannerenthüllung hat infolge des schlechten Wetters zu Pfingsten 1912 nicht stattgefunden und so sind die ganzen Veranstaltungen auf Sonntag, den 2. Juni verschoben worden.

 

Am 8. Juni 1912 berichtete der Böhmerwald Volksbote dann über die Feierlichkeiten: „Die Bannerenthüllung nahm einen äußerst guten, für alle Teilnehmer recht erhebenden Verlauf“.

Vormittags 10 Uhr wurde das Banner unter zahlreicher Beteiligung der Genossinnen und Genossen im Garten des Arbeiterheims enthüllt, wobei Genosse Gastl aus Wien die Festrede hielt und die Radfahrer zum Ausbau der Organisation ermunterte. Hierauf knüpfte die Fahnenmutter Frau Elisabeth Seidel die, von ihr gespendete Schleife an das Banner und hielt eine kurze, aber ergreifende Ansprache, die besonders bei den Frauen ihre sichtliche Wirkung nicht verfehlte. Am Nachmittag um 3 Uhr fand der Festzug statt, der vom Hirschgarten seinen Ausgang nahm und durch die Stadt bis zum Arbeiterheim führte. Die Beteiligung an demselben war über alles Erwarten sehr zahlreich. Krumau dürfte bisher noch keinen solchen imposanten Festzug gesehen haben. Die ganze Veranstaltung fand in einem Gartenfest ihren Abschluss, welches einen äußerst befriedigenden Verlauf nahm. Die ganze Feier fand in einem Familienabend, der am Sonntag, den 9. Juni abends im Arbeiterheim veranstaltet wurde, ihren Abschluss.

Das Banner der Arbeiter-Radfahrer Krumau war das erste rote Banner der Arbeiterschaft Südböhmens!

 

Am 19. Juli 1913 wird über die Teilnahme des Arbeiter-Radfahrer-Verein Krumau an der Gründungsfeier anlässlich des 10jährigen Bestehens der Sozialdemokratischen Lokalorganisation Höritz am Sonntag den 27.7.1913 berichtet. Und am 18. März 1915 ist zu lesen, dass am Samstag, den 20. März um 8 Uhr abends der Arbeiter-Radfahrer-Verein im Arbeiterheim seine Generalversammlung abhält. Die Mitglieder hatten sich vollzählig einzufinden.

 

Für das Jahr 1927 wird als Vorsitzender des Arbeiter-Radfahrer-Vereins Krumau Josef Platzer ausgewiesen.

Zum Gründungsfest der südböhmischen Forstarbeiter führten 200 Radfahrer den Festzug an. Das dürfte 1928 in Neuofen unter der Regie des Gewerkschaftssekretärs in Südböhmen, Franz Kuplent gewesen sein.

 

Wie lange der Arbeiter-Radfahrer-Verein Krumau existierte, konnte bisher nicht ermittelt werden. Spätestens 1938 wurde er aber als sozialdemokratische Organisation von den Nazis aufgelöst und verboten.

 

*Der Böhmerwald Volksbote, Krumau, war die sozialdemokratische Zeitung für Südböhmen

 

 

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