Richard Reitzner ein Sozialdemokrat der ersten Stunde

Veröffentlicht am 21.05.2017 in

Text: Karin Hagendorn

v.l.: Peter Pontz (SL-Kreisgruppenvorsitzender), Karin Hagendorn (Vorstandsmitglied der Seliger-Gemeinde Niederbayern-Oberpfalz), Bernhard Roos,MdL, Helga Heller (SL -Ortsvorsitzende Passau), Helmut Zahradnik (SL-Ortsverein Passau), Referent Albrecht Schläger (Bundesvrositzender der Seliger Geminde), Horst Jorde und Erwin Haslberger (beide Vorstandsmitglieder SL-Orstgruppe Passau und Mitglieder der Seliger Gemeinde Niederbayern-Operpfalz)

 

Seliger-Gemeinde zu Gast bei der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Passau

Die Sudetendeutsche Landsmannschaft, Ortsgruppe Passau, hatte im Gasthaus Aschenberger zu ihrer Monatsversammlung eingeladen, um geschichtliches und kulturelles aufrecht zu erhalten und an das Unrecht der Vertreibung zu erinnern. Die Vorsitzende Helga Heller begrüßte den Referenten und Bundesvorsitzenden der Seliger-Gemeinde e.V. Albrecht Schläger, Bernhard Roos, MdL und das Vorstandsmitglied Karin Hagendorn von der neugegründeten Regionalgruppe Niederbayern-Oberpfalz der Seliger-Gemeinde e.V.

Heller erinnerte in Ihrer Einführung an das Kriegsende Mai 1945 und dass sich damals niemand vorstellen konnte, wie es weiter gehen sollte. In einem Gedicht beschreibt sie die vermeintlich aussichtslose Situation der Vertriebenen, die Hoffnungslosigkeit und die schweren, körperlichen und seelischen Wunden, die den Menschen zugefügt wurden.

Sie hob hervor, welche wichtige Rolle gerade nach dem Zweiten Weltkrieg auch der Sozialdemokrat Richard Reitzner spielte. Er setzte sich u.a. stark für das Fremdrentengesetz ein, mit dem Vertriebene für im Ausland geleistete Tätigkeiten entschädigt werden konnten.

Albrecht Schläger ergriff das Wort und beschrieb in seinem Vortrag das Leben des Sozialdemokraten Richard Reitzner, der 1893 in Einsiedel bei Marienbad geboren wurde. Er nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und schloss sich 1920 der Arbeiterbewegung an. Er gehörte schon im Alter von 23 Jahren dem Vorstand der DSAP an. Als der Einmarsch ins Sudetenland begann, entschloss er sich im Herbst 1938 mit seiner Familie nach Großbritannien zu emigrieren, um sich gerade noch rechtzeitig einer Verhaftung des Hitlerregimes entziehen zu können. Über 20.000 sudetendeutsche Sozialdemokraten kamen in Zuchthäuser und Konzentrationslager des Dritten Reiches, nur einem kleinen Teil gelang die Emigration. Im Exil in London leitete er mit Wenzel Jaksch und Ernst Paul eine Emigrantengruppe. Sie wehrten sich vehement gegen die Pläne der tschechische Exilregierung über drei Millionen Sudetendeutsche aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg zu vertreiben. Reitzner, Jaksch und Paul traten schon damals für ein geeintes Europa ein, das keine Vorherrschaft einer Nation über eine andere kennt.

1946 entschied sich Richard Reitzner zusammen mit seiner Familie nach München zu gehen. Er trat in die SPD ein und wurde für kurze Zeit stellvertretender Landesvorsitzender. 1947 wurde er stellvertretender Staatssekretär für das Flüchtlingswesen in Bayern und 1949 kam er in den ersten Bundestag. Von Anfang an arbeitete er mit Hans Schütz von der Ackermann-Gemeinde und Walter Becher vom Witiko-Bund in verschiedenen Gremien der Flüchtlingsverwaltung zusammen. Er plädierte für Gemeinsamkeit, um auf die Probleme der Vertriebenen aufmerksam zu machen und um für Verständnis zu werben. Er forderte seine Landsleute auf, in die Sudetendeutsche Landsmannschaft einzutreten und „nicht nur mit einem Höchstmaß an äußerer Geschlossenheit, sondern auch eine gemeinsame neue Einstellung anzustreben“. „Links“ und „rechts“ wollte er vereinen, fand damit aber nicht nur Zustimmung und trotzdem war er mit seinen Ideen Verbindungsglied zwischen SPD und Volksgruppe und Ansprechpartner für unzählige Ratsuchende.

Die erste Vertriebenen-Zeitung, die „Brücke“, erschien erstmals am 1. Juni 1947 in einer Auflage von 60.000 Exemplaren. Richard Reitzner setzte sich nicht nur mit allen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ein, sondern schuf auch die finanziellen und personellen Grundlagen.

Im Gründungsprotokoll der Seliger Gemeinde vom 4.6.1951 ist der Einberufer Richard Reitzner, MdB. Als Zweck schlug er vor „die Notwendigkeit einer Zusammenfassung der ehemals in der sudetendeutschen Arbeiterbewegung tätigen Männer und Frauen sowie die Verpflichtung, gerettetes Kulturgut zu sammeln und auszuwerten.

Bei der Gründungsversammlung am 10./11. November 1951 wurde dann Wenzel Jaksch zum Bundesvorsitzenden gewählt und Richard Reitzner übernahm den geschäftsführenden Vorsitz, den er bis zu seinem Tode am 11. Mai 1962 innehatte.

Zusammenfassend führte Albrecht Schläger an, dass die Vertriebenen einen großen Anteil am modernen Bayern hätten. Viele Firmen wurden nach 1945 gegründet, neue Industrie siedelte sich an und Arbeitsplätze entstanden. In dieser Zeit gründeten viele sudetendeutsche Sozialdemokraten SPD-Ortsvereine in Bayern. Und unter Volkmar Gabert erreichte die SPD den höchsten Stimmenanteil von 36 %.

Ein Zahlenvergleich der Parteimitglieder in der DSAP vor 1938 und SPD-Mitglieder in Bayern heute spricht Bände: Bei 3,4 Millionen Sudetendeutschen hatte die DSAP 80.000 Mitglieder und heute bei 12 Millionen Einwohnern in Bayern sind es 60.000 SPD-Mitglieder.

In der anschließenden Diskussion wurden Reitzners Verdienste für die Flüchtlinge ausdrücklich gewürdigt. Es wurden die Beziehungen zu Tschechien angesprochen und das Thema Migrationshintergrund und Integration diskutiert. Bernhard Roos schilderte seine familiären Verbindungen zu Österreich, Ungarn und Tschechien und betonte, dass Migration eine existenzielle Bedeutung für ihn hätte, er sich aber voll und ganz als Niederbayer fühle.

In einem Schlusswort bedankte sich die Vorsitzende Helga Heller bei Albrecht Schläger für seinen informativen und ausführlichen Vortrag über Richard Reitzner. Es war wichtig und richtig,  auch einmal an diesem unermüdlichen Kämpfer für die Belange der Vertriebenen zu gedenken. Sie dankte allen Gästen und Mitgliedern für ihr Kommen.

 

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