Fahrt nach Aussig 2018

Veröffentlicht am 14.06.2018 in

Hans Tomani (2.v.re.), ein gebürtiger Schreckensteiner, zusammen mit den Mitgliedern der SG München auf Burg Střekov/Schreckenstein, die auf einem steilen, monolithischen Klingsteinfelsen, der direkt über der Elbe 100 Meter hoch aufragt und ein Wahrzeichen Nordböhmens darstellt, liegt

Stadtspaziergang in Střekov/Schreckenstein

Erinnerungen an Ernestine (Erna) Meißner und die Schleichwerke

 

Beim Besuch in Ústí nab Labem/Aussig durfte auch ein themenbezogener Stadtspaziergang mit dem Historiker Dr. Thomas Oellermann und der Besuch der Burg Střekov/Schreckenstein nicht fehlen.

 

Hans Tomani erinnerte beim Besuch der gut erhaltenen Burgruine Střekov/Schreckenstein an seine Tante, die 1920 in Střekov / Schreckenstein geborene Ernestine (Erna) Meißner. Sie besuchte bis zu ihrem Tod mehrere Grund- und Mittelschulen und sprach vor interessierten Studenten, aber auch Bürgern der Stadt Ústí über ihr Leben in Aussig.

Hans Tomani stammt aus einer alten sozialdemokratischen Familie in Schreckenstein. Sein Vater war dort sozialdemokratischer Stadtrat, mit all den Konsequenzen, die das dann nach dem Einmarsch der Wehrmacht hatte. Ebenso wie Erna Meißner „Das spielte eine sehr große Rolle für mich, weil ich die Gedankengänge der Sozialdemokraten von klein auf gekannt habe. Die Ziele, die die Sozialdemokraten verfolgt haben, die sind mir eingebrannt worden. Und ich habe sie das ganze Leben beibehalten“, erinnerte sie sich.

 

Ihr Vater war Sozialdemokrat, ein Arbeiter. „Ich erinnere mich, dass mein Vater in den 20 Jahren in denen ich aufgewachsen bin, einen einzigen Anzug genäht bekommen hat. Ansonsten ist er immer in der Montur der Eisenbahner gekleidet gewesen“, so Erna Meißner in einem Interview bei Radio Prag. 

 

Der Vater von Erna Meißner war auch im Stadtrat von Schreckenstein einer von drei Sozialdemokraten. Er ist immer für die Sozialdemokratie eingetreten. Und im Stadtrat hat er auch nicht geschwiegen. Wenn man ihn angewiesen hat, er solle sein Abzeichen abnehmen, hat er darauf lediglich erwidert, „das Abzeichen bleibt dran. Wir haben immer noch unserer Vertreter in Prag und nicht in Berlin.“ Nach der Annexion des Sudetenlandes brachten die Nazis man Ernas Vater auf der Insel Sylt und nach Heidkate zur Zwangsarbeit.

 

Nach dem Krieg wurden sie trotzdem vertrieben, auch wenn sie als Sozialdemokraten eigentlich Antifaschisten waren. „Mein Vater kam zurück von der Insel Sylt. Meine Mutter lebte dann schon in Chomutov/Komotau. Von dort haben sie sich eine Bescheinigung geholt, mein Vater mit meinem Bruder, der war damals schon Lehrer. Die beiden sind dann nach Hause gefahren und haben sich die Dokumente, die ihn als Antifaschisten ausgezeichnet haben, geholt. Mein Bruder hat dann einem tschechischen Soldaten seine Dokumente gezeigt und gesagt: „Schau mal ich hab dieses hier, warum soll ich jetzt mitmarschieren?“. Darauf haben die geantwortet: „Was, schau, dass du nach Hause kommst!“. Er durfte dann wieder zurück zu seiner Familie und konnte mit ihnen dann aussiedeln. Mein Bruder ist erst später weggekommen von Komutau, da er die Antifa geleitet hat“, erinnerte sich Erna Meißner. 

 

Erna verschlug es im Alter von 26 Jahren 1946 zunächst mit ihrem Mann und Sohn nach Pfaffenhofen. Damals hatte sie bereits fünf Jahre in ihrer Heimat unterrichtet. Ein Jahr später begann sie in Unterthürheim zu lehren, baute später mit ihrer Familie dort ein Haus.

 

Die Unternehmerfamilie Schicht

 

Anfang des 20. Jahrhunderts lebten über 37.000 Einwohner in Ústí nad Labem/Aussig, das sich zu einem der bedeutendsten Industriestandorte Böhmens entwickelt hatte. Die Georg Schicht AG gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zu den großen Unternehmen im österreichischen Seifen-, Fette- und Kerzenbereich. Allein in dieser großen Chemikalien-Fabrik waren um 1900 etwa 2600 Arbeiter beschäftigt. In Aussig ist „Schicht“ nicht nur ein Name, sondern ein Symbol für die glorreiche industrielle Vergangenheit der Stadt bis zum Zweiten Weltkrieg. Dr. Thomas Oellermann ist Historiker: „Das ist die große Firma vor Ort gewesen, die in Schreckenstein, also auf der östlichen Seite der Elbe, das komplette Ufer sowohl baulich als auch sozial beherrschte. Sie war der größte Arbeitgeber.“ Johann Schicht hatte 1873 die Idee die Seifen-Produktion nach Aussig zu verlegen, um Transportprobleme von Rohmaterial zu verringern. 1880 realisierte er seine Idee und baute zwischen den Ortsteilen Kramoly und Novosedlice, in Střekov (Schreckenstein), heute einem Stadtteil von Aussig. Hier erzeugte bereits ein großer Chemiekonzern einen Teil der benötigten Rohstoffe, die Lage am Fluss sicherte ferner den billigen Transport von Kokos- und Palmöl. Bald wurde die „Schicht-Seife“ zur bekannten Marke, außerdem produzierten Schichts Betriebe Waschmittel und Speisefett.

Johann Schicht war aktives Mitglied verschiedener Handels- und Kulturinstitutionen. 1898 wurde er für seine Mitwirkung an der österreichisch-ungarischen Industrie ausgezeichnet. Schicht kann verglichen werden mit anderen altösterreichischen Unternehmern wie Tomáš Baťa oder Emil von Škoda, indem er ein großes Firmenimperium aufbaute und dabei die sozialen Aspekte ebenso wie die moderne Technologie im Auge hatte.

 

Historiker Oellermann zum Erfolgsrezept der Firma: „Die Schichts waren zu ihrer Zeit bei den Produkten sehr innovativ. Sie saßen außerdem an einem perfekten Ort: an der Elbe, der Verbindung zwischen Innerböhmen mit Prag und Sachsen. Natürlich, das wissen wir heute, war auch die soziale Komponente ganz entscheidend. Es ging bei den Schichts nicht darum, den Arbeiter auszubeuten und ihn in einem Zwölfstundentag zugrunde zu richten, sondern ihm auch soziale Einrichtungen zukommen zu lassen. Das verbesserte das Arbeitsklima und die Stimmung der Arbeiter.“ Ein berühmtes Beispiel war das Schicht-Bad: Zu der Zeit war es das modernste Bad in der Tschechoslowakei.

Das Unternehmen errichtete auch eine eigene Maschinenfabrik und eine Schmiede, betrieb Kohlenminen und Kraftwerke. Es investierte auch in einige Chemie- und Lebensmittelerzeugungsunternehmen. 1906 beschäftigten seine Söhne 1.900 Personen an mehreren Standorten. Nach der Krise des Ersten Weltkriegs expandierte das Unternehmen weiter und gründete eine Niederlassung in Mährisch Ostrau/Ostrava.

Nach dem Kauf der Firma Emanuel Khuner & Sohn (Marke Kunerol) wurde im Jahr 1923 die Margarinefabrik in Wien-Atzgersdorf gebaut. Im Jahr 1929 wurde aus zehn Unternehmen der Branche, unter ihnen die Georg Schicht AG, die Unilever Österreich gegründet und im Jahr 1939 nach dem Anschluss mit der Unilever Deutschland verschmolzen.

 

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