Marienbader Gespräche 2022

Veröffentlicht am 29.09.2022 in Allgemein

Die Marienbader Gespräche 2022 fanden wieder im Casino des Hotels Novĕ Láznĕ statt. Berühmte Philosophen, Komponisten und selbst die Königshäuser Europas zog es schon in dieses prächtige Haus. Im Spiegelsaal präsentierte die Seliger-Gemeinde ihre Ausstellung „Böhmen liegt nicht am Meer“

 

Politische Bildung in Zeiten von Populismus und digitaler Medien 

Marienbader Gespräche zeigen, dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte die Zivilgesellschaft stärkt

Der Sudetendeutsche Rat e.V. veranstaltete vom 23. — 25. September 2022 die „Marienbader Gespräche“ im ehemaligen Casino des Hotels Novĕ Láznĕ. Die diesjährige Tagung stand unter dem Motto „Politische Bildung in Zeiten von Populismus und digitaler Medien - Auseinandersetzung mit der Geschichte stärkt die Zivilgesellschaft“.  Das Tagungsprogramm beinhaltete eine Reihe von interessanten Vorträgen. Die Seliger-Gemeinde war auch dieses Jahr mit einer stattlichen Gruppe bei diesem deutsch-tschechischen Seminar vertreten und präsentierte den Teilnehmern die ihre Ausstellung „Böhmen liegt nicht am Meer“.

Nach einem gemeinsamen Abendessen im Speisesaal des Hotels Novĕ Láznĕ begrüßte die Generalsekretärin des Sudetendeutschen Rates, Christa Naaß, MdL a.D. die Teilnehmer und Referenten. Insbesondere die Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf, MdL, die als „Schirmherrschaftsministerin“ ihre Verbundenheit und Verantwortung gegenüber den Sudetendeutschen bekräftigte.  Den Tag schloss der Programmpunkt „Geschichte - Gegenwart — Musik verbindet“ – ein wundervolles Konzert des Westböhmischen Symphonieorchesters im Rahmen des Projekts „Lebendiges Grenzland".    

Der Samstag begann mit einem Vortrag von Peter Barton, der die Aktivitäten des Sudetendeutschen Büros in Prag vorstellte. Zum Tagungsthema berichtete Barton über den Einfluss der AfD auf die tschechische Politik durch Bereitstellung von Tschechisch sprechenden Rednern im Grenzraum und finanzieller Mittel für Referenten in der Parlamentsarbeit. Hinsichtlich der an diesem Wochenende abgehaltenen Kommunal- und Senatswahlen beklagte Barton die Vorgaben zu den Bürgermeisterwahlen, bei denen die Kandidaten nicht direkt von der Bevölkerung, sondern erst nach Konstituierung durch den Stadt-/Gemeinderat gewählt werden. Unterschiedliche Bündnisse und neue Mehrheiten würden zum vielbeklagten schnellen Wechsel der Bürgermeister vor Ort führen. Die dadurch fehlende Kontinuität führe auch zu immer wieder zu neuen Ansprechpartnern in den Kommunen und erschwere die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.          

Natalie Pawlik (SPD), die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten äußerte sich zum Thema in einem vorgetragenen Grußwort. Der Tschechische Botschafter in Berlin, Dr. Tomáš Kafka, übermittelte in einer Videobotschaft seine Position zum Thema.

Einen bemerkenswerten Vortrag hielt Sahra Scholl-Schneider, die stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung in Rheinland-Pfalz. Sie sprach über die Bedeutung der politischen Bildung in einer sich polarisierenden Gesellschaft. Hierbei führte Scholl-Schneideraus, dass mit Verwendung der digitalen Medien die Inhalte bis in die Mitte der Gesellschaft getragen werden. Mit allen positiven und negativen Folgen.

In der anschließenden Diskussion ging es auch um die politische Bildung in der Tschechischen Republik. Libor Rouček erläuterte die Ablehnung der Tschechen in Bezug auf alle politische Indoktrination - so werde hier nämlich politische Bildung bewertet – aufgrund der schlechten Erfahrungen während der NS-Zeit und des Kommunismus. „So hat man nach der Wende eine Chance verpasst“, erklärte Rouček, der eine politische Bildung wie in Deutschland schmerzlich vermisst. Doch auch andere Länder wie Italien, Polen, Ungarn oder Großbritannien hätten hier große Defizite: „Mit einer breiten politischer Bildung hätte es keinen Brexit gegeben“, zeigte sich Rouček überzeugt. In Tschechien sei es nicht möglich politische Themen wie etwa „Roma“ oder „Sudetendeutsche“ wertfrei und emotionsfrei zu behandeln. Ja im Gegenteil, vor allem rechtsradikale Parteien würden durch Desinformationen, Hass und Hetze Profit aus den Emotionen schlagen wollen. Rouček nannte hier die Diskussion um Reparationszahlungen als Beispiel.

Seitens einer jüngeren Diskussionsteilnehmerin wurde erklärt, dass das negative Bild Tschechiens vor allem auf der Ablehnung staatlich organisierter politsicher Bildung beruhe. NGOs, wie „Tandem“ oder „Post bellum“ würden sehr wohl ein breites Bildungsangebot anbieten, was auch sehr gut angenommen werde.

Höhepunkt, aber auch Beispiel für die Aktualität des Themas der Marienbader Gespräche 2022 bot die hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Europäische Union. Mit auf dem Podium, das von Dr. Peter Becher moderiert wurde, saßen der SPD-Europa-Abgeordnete Ismail Ertug aus Amberg, der CDU-Bundestagsabgeordnete Knut Abraham aus Brandenburg, der FW-Landtagsabgeordnete Tobias Gotthardt aus München, der Kommunalpolitiker Tomáš Linda aus Eger (ODS), der ehemalige Vizepräsident des Europäischen Parlaments Libor Rouček, MdEP a.D, der tschechische grünen-Politiker Milan Horáček, MdEP a.D. sowie Nestor Aksiuk, der Sprecher der ukrainischen Gemeinde Ulm/Neu-Ulm.

Den Tag beschlossen Dr. Gernot Peter, der die Museumsarbeit in der Familienforschung des Böhmerwaldmuseums Wien und Dr. Petr Koura, der die Dauerausstellung „Unsere Deutschen“ im Museum Ústí nad Labem/Aussig und somit einen Beitrag zum „Gemeinsamen Kulturerbe“ vorstellte. Am Sonntag präsentierte Veronika Kupková das tschechisch-Deutsche Schulprojekt „Preßnitz lebt“ und Christian Löbel ein Partizipationsprojekt des Bezirksjugendrings Mittelfranken.

Beendet wurden die Marienbader Gespräche 2022 mit einer Gesprächsrunde mit Volksgruppensprecher Bernd Posselt. Dieser brach eine Lanze für das persönliche Engagement jedes Einzelnen. Verallgemeinerungen wie „die Politik“ oder “die Kirche“ seien brandgefährlich, so Posselt, weil sie die Abgehobenheit und Unbeeinflussbarkeit dieser Institutionen manifestierten. Dies und die Reduzierung des politischen Engagements auf die bezahlten Mandatsträger würden das Ende der Demokratie bedeuten. „Man dürfe die Politik nicht den Politikern, die Versöhnung nicht den Hauptamtlichen und die Geschichte nicht den Historikern überlassen“, stellte Posselt klar. Dies alles sei Aufgabe eines jeden Einzelnen. So hätte eine breite Beschäftigung mit der Geschichte Osteuropas dazu beigetragen, die Bedrohung der Ukraine durch Putins Russland rechtzeitig zu erkennen. Posselt setzte abschließend die Hoffnung auf ein friedliches Europa auf das politische und kulturelle Engagement der Zivilgesellschaft, verbunden mit soliden Geschichtskenntnissen und der Erkenntnis, dass Geschichte und Zukunft nur zwei Seiten ein und derselben Medaille sind.

 

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