
Josef Seliger – Tritt hervor!
Die Seliger Gemeinde stellte zum Abschlussfest des Brünner Versöhnungsmarsches 2020 den ersten Vorsitzenden der DSAP vor
„Tritt hervor!“ lautete das diesjährige Thema des Festivals meeting brno und der Präsentation anlässlich des Versöhnungsmarsches, bei dem die Seliger Gemeinde bereits zum vierten Mal mit einem Ausstellungsstand vertreten war. Dabei sollte es besonders um Persönlichkeiten aus der Geschichte und Gegenwart gehen, die es geschafft haben, aus der Reihe zu tanzen, etwas Besonderes zu machen, so die Organisatoren. Aber auch der Rückblick auf den anderen Weg, der Inhalt des Versöhnungsmarsches, sollte gewürdigt werden. Die Veranstaltung fand aufgrund der Corona-Pandemie nicht am Jahrestag statt, sondern wird am 12. September im Rahmen des Festivals meeting brno abgehalten. Begleitet wurde das Abschlussfest von der Leipziger Band „Djangophon“ und der inklusiven Gruppe „Jazz aus Brno“.
Wer, wenn nicht Josef Seliger, dessen 150. Geburts- und 100. Sterbetag wir 2020 gedenken, war das zentrale Thema der Präsentation der Seliger Gemeinde, die aus einer eigenen kleinen Seliger-Ausstellung bestand, die durch die thematisch zugehörigen Tafeln der Ausstellung „Von der DSAP zur Seliger-Gemeinde.… ergänzt wurde. „Josef Seliger sei die Persönlichkeit unserer Geschichte, die es geschafft hat, „aus der Reihe zu tanzen, etwas Besonderes zu machen“, so Ausstellungsbetreuer Rainer Pasta. Seliger stand am Ende des Ersten Weltkrieges an der Spitze der Sozialdemokratie seines Landes, er vermochte dem Einsatz seiner Partei ein sittliches Pathos zu verleihen, der aus ihrem Kampf gegen ein autoritäres Regime herrührte, in welchem sie für Freiheit, Selbstbestimmungsrecht, allgemeines Wahlrecht, die Gleichberechtigung der Minderheiten mit den Mehrheiten, also das Minderheitenschutzrecht, und gegen unvernünftigen Nationalismus eingetreten war. Aber auch der „Rückblick auf den anderen Weg“ sei bei Josef Seliger zu finden, so Pasta weiter. So trat Seliger nach der Gründung der Tschechoslowakei zuerst für einen Anschluss des Sudetenlandes an Österreich ein. Als dieser aufgrund der Etablierung der Prager Zentralgewalt scheiterte, plädierte er für eine weitgehende Autonomie des Sudetenlandes und konzentrierte seine Aktivitäten auf den neuen tschechoslowakischen Staat.
Auch der diesjährige Versöhnungsmarsch war ein besonderes Erlebnis sowie eine Möglichkeit zu unwiederholbaren Begegnungen. An dieser Aktion beteiligen sich Dutzende Zeitzeugen sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus der Tschechischen Republik, aus Österreich und Deutschland. Die auf dem Gebiet der deutsch-tschechischen und österreichisch-tschechischen Beziehungen arbeitenden Organisationen präsentierten sich mit Ständen – darunter die Sudetendeutsche Landsmannschaft, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Ackermann Gemeinde und natürlich auch die Seliger Gemeinde.
Die Oberbürgermeisterin/ Primátorka der südmährischen Großstadt, Markéta Vaňková sagte beim Abschlussfest, der Versöhnungsmarsch ende nicht an diesem Tag an diesem Ort. „Hoffen wir, dass unser jetziges Treffen nicht nur eine Versöhnungsgeste ist, sondern auch eine Warnung vor der Wiederholung der damaligen Fehler“. Und weiter: "Ich denke, wir müssen uns an ein historisches Ereignis erinnern. Es ist dieses Ereignis, dass das Ende des Zweiten Weltkriegs markierte und ziemlich bedeutend, aber gleichzeitig widersprüchlich ist. Ich bin froh, dass wir es aus beiden Perspektiven betrachten können und zugeben können, dass einige der Aktionen der Brünner Bevölkerung, die Grund hatte, wütend zu sein und einen Grund zum Hass hatte, nicht die geeignetsten waren". In ihrer Rede vor den Anwesenden sagte sie auch, dass Millionen von Menschen von den Wunden des Krieges betroffen gewesen seien. "Sie sind immer noch offen und schwer zu heilen. Für sie gelten nur zwei Dinge, die Zeit und Ruhe sind. Wir müssen erkennen, dass die Geschichte voller Grausamkeit und Ungerechtigkeit ist. Vergebung ist etwas, was wir uns jetzt gegenseitig vorschlagen können", so Vaňková abschließend.
Schon zum vierzehnten Mal machten sich mehrere Hundert Teilnehmer auf den Weg (30km) der mehr als 20 000 Brünner, die vor 75 Jahren zur österreichischen Grenze getrieben wurden. Während arbeitsfähige Männer Zwangsarbeit leisten mussten, wurden Frauen, Kinder und Alte in einem langen Fußmarsch vertrieben.Mindestens 1700 von ihnen erlagen den Qualen des Marsches. Seit 2015 dreht sich dieser historische Marsch symbolisch um, d. h. er führt vom Massengrab in Pohrlitz in den Augustinergarten in Alt-Brünn zurück. In diesem Jahr der Versöhnung entschuldigte sich Brünn erstmals für die Vertreibung der Deutschen nach dem Krieg in einer Deklaration zur Versöhnung und gemeinsamen Zukunft, die ein historischer Meilenstein im Prozess der Auseinandersetzung der tschechischen Gesellschaft mit diesem Kapitel ihrer Geschichte wurde. Nach Oberbürgermeister/Primator Petr Vokřál (ANO) führte die seit 2019 amtierende Oberbürgermeisterin/Primátorka von Brünn/Brno Markéta Vanková (Bürgerdemokraten) diese Tradition fort. Erfreulich war auch zu bemerken, dass die Proteste und Gegner dieser Aktivitäten, vor allem von kommunistischer Seite, immer weniger werden.
Auch 2021 sind wieder alle eingeladen, denen Versöhnung, Toleranz und Abbau von Vorurteilen wichtig sind, und die in einer grenzüberschreitenden Begegnung zur Verständigung zwischen unseren Nachbarländern beitragen möchten. Grundlage ist die partnerschaftliche Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte mit dem Ziel die Versöhnung und Freundschaft zwischen Sudetendeutschen und Tschechen im Geiste der europäischen Einigung zu sehen – die Seliger Gemeinde wird auch dann wieder dabei sein!