Familien in großer Geschichte

Veröffentlicht am 20.03.2023 in Allgemein

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Reinhold Hoyer (1913-1977)

Reinhold Hoyer wurde am 6. Februar 1913 im Weiler Leibitschgrund an der Eger als Sohn der Eheleute Adolf und Theresia Hoyer (geb. Dörfler) geboren, wohnte dann mit seiner Familie in der Fabrikkolonie Liebauthal*. Er besuchte die Volks- und Bürgerschule in Königsberg an der Eger und erlernte später das Elektrohandwerk bei der Firma Noe Stross AG in Liebau-thal, das er als Elektromonteur langjährig ausübte.  Schon im Jahre 1931 hat er aktiv an dem Textilarbeiterstreik und 1934 beim Metallarbeiterstreik in Liebauthal teilgenommen. Nach einer daraus folgenden, vorübergehenden Arbeitslosigkeit begann er im Mai 1934 für die Gemeindeverwaltung Kogerau im Amt für Sozialfürsorge zu arbeiten.

Bereits als Kind fand Reinhold Anschluss an die Arbeiterbewegung. Er turnte ab 1920 im Arbeiter- Turn- und Sportverband ATUS, kam 1926 zu den Kinderfreunden (Rote Falken) und 1927 zur Sozialistischen Jugend. Ebenfalls gehörte ab 1927 den Naturfreunden und ab 1930 dem Arbeiter- Sängerbund an. Er wurde 1927 Mitglied der Metallarbeiter-Gewerkschaft und ab 1934 Mitglied im Verband der öffentlichen Angestellten. Seit 1934 war er auch Vollmitglied der Deutschen Sozialdemo-kratischen Arbeiterpartei (DSAP) und wurde Mitglied der Roten Wehr. U.a. betätigte er sich als Berichterstatter für die Parteizeitung Volkswille.

ALS ATUS-Mitglied nahm er am 3. Bundesturnfest vom 4. - 6. Juli 1936 in Komotau und bei der Olympiafeier des ATUS in Liebauthal am 31.7. 1937 in den Leichtathletik-Mehrkämpfen teil.

Aufgrund seiner politischen Einstellung musste Reinhold Hoyer am 21.9.1938, um seiner Verhaftung zu entgehen, in das Innere der Tschechoslowakei flüchten. Er musste aber nach dem Anschluss des Sudetenlandes wieder zurück, da ihm die damalige tschechische Regierung das Asylrecht verweigerte.

Als 1938 im Zuge des sog. Münchener Abkommens die sudetendeutschen Gebiete an das Altreich angeschlossen wurde, wurde Hoyer mit seinem Bruder und seinem Schwager durch das Sudetendeutsche Freikorps und der reichsdeutschen Gestapo am 5.10.1938 verhaftet und mehrere Tage verhört. Am 10.10.19938 wurde Hoyer erneut verhaftet. Neben dem Kreisgefängnis in Eger saß Hoyer mehrere Tage im Zellengefängnis in Nürnberg ein. Wie viele andere tausende sudeten-deutsche Sozialdemokraten wurde Hoyer in ein Konzentrationslager verschleppt. Er kam am 18.11.1938 nach Dachau, wo er bis 10.12.1938 inhaftiert blieb.

Zahlreiche sudetendeutsche Sozialdemokraten blieben bis Kriegsende in KZ-Haft, einige wurden hier ermordet. Eine andere große Gruppe wurde hingegen nach wenigen Monaten wieder freigelassen. Nach seiner Entlassung stand Hoyer bis 27.2.1940 unter Polizeiaufsicht und musste sich dreimal wöchentlich bei der Gestapo oder Polizei melden. Eine Arbeitsanstellung im Sudetenland wurde ihm verwehrt. Um weiterer Verfolgung und Schikane auszuweichen, verlies Hoyer seine Heimat und war bei der AEG als Elektromonteur in Sachsen beschäftigt.

Mit seiner Ehefrau Herta (geb. 9.7.1914, Hochzeit am 19.8.1939), einer Textilarbeiterin, die ebenfalls in der Jugendorgani-sation der DSAP, dem ATUS und der Textilarbeitergewerkschaft organisiert war, hatte er zwei Kinder: Brigitte Hoyer (geb. 6.9.1941) und Reinhard Hoyer (geb. 25.3.1945).

Reinhold Hoyer, der am 1.3.1940 zur Wehrmacht eingezogen wurde, erklärte später, dass er immer seiner politischen Ge-sinnung treu geblieben sei und immer mit den Parteigenossen in Verbindung gestanden habe. Er bekräftigte auch, dass er sämtliche ausländische Rundfunksender abgehört und diese Informationen auch an andere Genossen weiterverbreitet hatte – was unter schwerer Strafe stand.

Hoyer kam am 13.4.1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde am 10.8.1945 wieder entlassen und kehrte in die Heimat zurück.  Er wurde aufgrund seiner antifaschistischen Einstellung durch die tschechischen Behörden bei der Firma Noe Stoss in Königsberg als Überprüfer eingestellt. Bis zu seiner Aussiedlung am 30.3.1946 hat er am Aufbau der Sudetendeutschen Antifa-Aktion (Ullmann-Aktion) aktiv mitgearbeitet.

Als anerkanntem Gegner des Nationalsozialismus wurde er 1946 im Rahmen eines sog. Antifa-Transports ausgesiedelt und wurde als Vortrupp zur Betreuung der aus der Č.S.R. eintreffenden Aussiedler in die Kreise Burglengenfeld-Regensburg-Land Kelheim u.a. eingewiesen.

Reinhold Hoyer war in der Zeit vom 21.4.1947 bis zur Auflösung der Lagerspruchkammer Regensburg am 30.9.1948 dort als Öffentlicher Ankläger tätig. Der sicheren Beherrschung des Befreiungsgesetzes, einem wohlabgewogenen Gerechtig-keitsgefühl und seinem unermüdlichen Arbeitseinsatz ist es zu verdanken, dass der Abschluss der Entnazifizierung vor der Lagerspruchkammer Regensburg erfolgen konnte, so ist es einem Zwischenzeugnis vom 30.9.1948 zu entnehmen. Anfang der der 50er Jahre fand er Anstellung im Staatsdienst und arbeitete als Hauptsekretär am Regensburger Sozialgericht. 1971 wurde er krankheitsbedingt pensioniert.

Direkt nach seiner Ankunft in Deutschland hatte er sich der SPD angeschlossen. Wie sich Genossen erinnern, war er ab 1952 "ewiger Organisationsleiter" und ab 1966 langjähriger Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Regensburg -Südosten-Kasernenviertel war. Von 1967 bis 1972 war er Mitglied im Regensburger Stadtrat. Er war war von 1967 bis 1972 Flücht-lingsvertrauensmann im Bezirksvorstand der SPD Niederbayern-Oberpfalz und von 1972 bis 1974 engagierte er sich im Vertriebenenbeirat der BayernSPD.

Neben der Partei war er auch aktives Mitglied der Seliger-Gemeinde, der Nachfolgeorganisation der Deutschen Sozialde-mokratischen Arbeiterpartei DSAP. 1952 war er Mitbegründer der Seliger-Gemeinde in Regensburg und bis zu seinem Tod 1. Vorsitzender und Orga-Leiter. Er warb in seiner aktiven Zeit 200 neue Mitglieder und konnte so die Seliger-Gemeinde Regensburg auf 600 Mitglieder aufstocken. Außerdem war er Mitglied im Landesvorstand der Seliger-Gemeinde.

Auch ein Zitat hierzu ist überliefert:


"In seinem Organisationsbericht sagte er [Vorsitzender Hoyer der SG Regensburg]: Die steigende Mitgliedszahl zeigt, dass dort, wo eine systematische Arbeit geleistet und der Charakter der Seliger-Gemeinde gewahrt wird, eine bindene Kraft zwischen Vertriebenen und der Sozialdemokratischen Partei zu sein, auch der Erfolg nicht ausbleibt. Die SPD kann versichert sein, dass sie auch in diesem Jahr im Wahlkampf zum Landtag in Bayern mit der Seliger-Gemeinde rechnen kann. Wir sind keine "Partei in der Partei", sondern ein Teil von ihr, in der sich traditionsverbundene, aber der Gegenwart aufgeschlossene Sozialdemokraten zusammenfinden." (aus: Mit der Seliger-Gemeinde kann die SPD rechnen, in: Die Brücke, 16.03.1974, S.7)

Reinhold Hoyer starb im Juni 1977 an einem Herzinfarkt.

Für Reinhold Hoyer war es zeitlebens von großer Bedeutung in der Seliger-gemeinde „aufgehoben zu sein“. So lautete sein politisches und privates Vermächtnis: In seinem Sinne weiter zu wirken und sozialdemokratisch zu denken und so weit wie möglich die Seliger-Gemeinde zu unterstützen.

 

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*Der Ort Liebauthal/Libavské Údolí befindet sich zwischen den Städten Eger/Cheb und Falkenau/Sokolov in Westböhmen. Er entstand im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts gewissermaßen „auf der grünen Wiese“ im unteren Tal des Liebaubaches. Liebauthal verdankt seine Existenz allein der Gründung eines Textilunternehmens (Spinnerei, Färberei, Stoffdruckerei, Handwerksbetriebe, Wirtshaus, Post und Telegrafenamt …) um 1830 mit einer kleinen Wohnkolonie für die hier Beschäftigten. 1860 arbeiteten im Werk 563 mechanische Webstühle. Ab 1880 begann der Bau von Mietshäusern für die Belegschaft. Durch die Errichtung von 19 Miethäusern mit 208 Wohnungen sowie 34 Einfamilienhäusern in Liebauthal wuchs die Einwohnerzahl auf 600 an.

 

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde die jüdische Unternehmensgruppe Noe Stroß enteignet. Nach der Arisierung firmierte das Werk als Liebauthaler Textilwerke Fischer & Co. Im Jahre 1942 wurde ein Teil der Produktion des Schweinfurter Kugellagerwerks nach Liebauthal ausgelagert und in der Weberei als „Walzbetrieb der Liebauthaler Textilwerke“ untergebracht. Für die Arbeit wurden Zwangsarbeiterinnen aus den besetzten Gebieten im Osten herangezogen. Nach Kriegsende wurden die Deutschen vertrieben.

 

In den 1950er Jahren entstand auf Teilen der Ortsfluren eine Kaserne der Tschechoslowakischen Armee. Nach ihrer Aufgabe durch die Armee dient das Objekt heute als Strafvollzugsanstalt.

 

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