Spurensuche im Böhmerwald 2021

Veröffentlicht am 28.10.2021 in Allgemein

Die Exkursionsgruppe besuchte bei ihrer Spurensuche in Eleonorenhain/Lenora auch das Denkmal für Andreas Hartauer, der das Böhmerwald Lied „Tief drin im Böhmerwald“ bereits Ende des 19. Jahrhunderts ersann.

 

„Es war im Böhmerwald, wo meine Wiege stand, im schönen, grünen Wald“

Die Sehnsucht nach der Heimat ist keine Erfindung der Sudetendeutschen, sie treibt die Menschen seit Ewigkeiten um – Exkursion nach Eleonorenhain/Lenora

Wenn man sich mit den Glasmachern in Winterberg und Kvilda beschäftigt, kommt man unweigerlich auch nach Eleonorenhain/Lenora. Das Dorf wuchs um die berühmte Glashütte, 1834 gegründet von Jan Meyr, die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den größten und modernsten Glashütten in Österreich-Ungarn gehörte.

Die Glashütte produzierte hochwertiges Kristallglas. Im Kapellenbach wurde Holz aus den Wäldern des Kubany/Boubín in die Glashütte von Lenora und in die Warme Moldau geschwemmt. Neben dem ehemaligen ´Schloss´ der Familie Kralik ist das ´Rechle´ das bekannteste Bauwerk des Ortes. Die mit einem Schindeldach gedeckte Holzbrücke am Ende des Ortes in Richtung Wallern/Volary stammt aus dem Ende des 18. Jhdts., als die kleinen Zuflüsse der Moldau gesäubert und hergerichtet wurden, damit auf ihnen Holz geflösst werden konnte. Das Bauwerk diente zum Aufhalten und allmählichen Auslassen von Holzscheiten und -Klötzen, die von hier auf dem Fluss bis in die Papierfabrik in Wettern/Větřní schwammen. Der Betrieb der ´Lenorer Rechle´ wurde erst nach der Errichtung des Staudamms am Lipnosee 1959 beendet.

Den Namen Eleonorenhain erhielt der Ort von Eleonora (1812-1873), der Frau des Besitzers der lokalen Herrschaft, Johann Adolf II. Fürst von Schwarzenberg. Jan Meyr war der Sohn von Joseph Meyr, Gründer der Glashütte ´Adolf´ in Winterberg. Die Glashütte hat in erster Linie qualitativ hochwertiges Kristallglas hergestellt. Jan Meyr starb 1841 und seine Firma erbten seine Neffen und 1862 wurde Wilhelm Kralik alleiniger Eigentümer Glashütte. Der Bau der Eisenbahnlinie von Strakonitz nach Wallern sorgte für den schnelleren Vertrieb des Glases von Lenorenhain. Die Glashütte überlebte die Wende des Jahrhunderts und den Ersten Weltkrieg. Bis zu 90 Prozent ihrer Produktion exportiert die Glashütte in der Zwischenkriegszeit, vor allem in die Vereinigten Staaten, aber auch nach Indien, England, Belgien.

Nach der Volkszählung vom Jahr 1930 lebten in Lenora 820 Einwohner, davon waren nur 15 Tschechen. Ursprünglich waren alle Einwohner bei der Glashütte beschäftigt. 1931 beschäftigte Eleonorenhain etwa 350 Arbeiter und 22 Beamte. Die Glasfabrik Kralik – Eleonorenhain hat mit Kriegsbeginn ihren Export nach England, Frankreich und USA gänzlich verloren. Als reine Exportfirma. Die in die Feindstaaten exportierte war die Glasfabrik in finanzielle Schwierigkeiten geraten, weil ihre Forderungen in den Feindstaaten eingefroren wurden. Anfang 1940 bekam die Glasfabrik Kralik in Eleonorenhain aus Holland einen Exportauftrag über 50.000 Gulden.

Kriegsende und Vertreibung

Das Glaswerk wurde im Oktober 1945 verstaatlicht und am Jahresanfang 1946 wurde es ein Bestandteil der Nationalfabrik Glaswerk Tschechisches Kristallglas (Sklárny Český křišťal). Leonora war einer der wenigen Orte Südböhmens, in dem eine größere Gruppe von Deutschen (Spezialisten) – 97 im Jahre 1947 von knapp 800 deutschen Einwohnern vor dem Krieg – zurückgehalten wurde, um die Glasfabrik am Laufen zu halten. Als die Vertreibung stattfand, mussten sie bleiben. Sie konnten sich nicht selbst entscheiden, ob sie hierbleiben, oder nach Deutschland gehen. Kultur und Geschichte der verbleibenden Böhmerwäldler verfiel jedoch dem Schweigen. Sie waren zu Fremden in der Heimat geworden, auch weil sich die Kinder und Enkel tschechisch sozialisierten. Die gebliebenen Deutschen in Lenora mussten bis 1947 die weiße Binde tragen und auch erst 1947 durften die Kinder wieder zur Schule gehen. In der Gemeinde leben immer noch Leute, die entweder Deutsche sind und auch deutsche Staatsbürgerschaft haben, oder Leute, die deutsche Vorfahren haben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte sich die Glashütte auf die Herstellung von mund-geblasenem Glas und besonderes, grünes Glas. 1968 wurde die Lenorská Glashütte nochmals modernisiert. Sie produzierte Bleikristall und klares, reich geschliffenes Glas, doch 1996 löschte man den letzten Glasofen in Lenora. Das ganze Areal befindet sich derzeit in einem miserablen Zustand.

Heute können Besucher in den Sommermonaten in einer Ausstellung über die Glasmacherei im Gemeindeamt Probestücke des Glases von Lenora besichtigen.

Zeugen der alten Zeit

In der Mitte das Ortes steht eine Jugendstil-Villa - ursprünglich die Residenz der Eigentümer der Glashütte Kralik - die zurzeit als Kindergarten genutzt wird. Zwischen der Villa und der ehemaligen Glashütte finden sich noch heute alte Arbeiterhäuser, gebaut für die Glashütte, und damit ein bedeutendes Stück Volksarchitektur.  

Der wirtschaftliche Erfolg der Glashütte um die Jahrhundertwende darf über das Elend der arbeitenden Menschen hinwegtäuschen. Der „Böhmerwald-Volksbote“ berichtet am 15.10.1909: „Eleonorenhain - War das am vergangenen Sonntag eine Aufregung und eine Menschenmasse auf dem hiesigen, sonst verhältnismäßig ruhigen Bahnhof. Was war los? Eine Glasarbeiterfamilie bestehend aus sieben Köpfen sowie drei ledige Glasarbeiter sagten dem herrlichen, grünen Böhmerwald, der Heimat ´adieu´ um jenseits des Ozeans im fernen Amerika ihr Fortkommen zu suchen, und das ist hier was Neues. Hatten in vergangenen Jahren Häusler, Inwohner, Holzarbeiter etc. aus der Umgebung zu Hunderten die Reise übers Meer angetreten, so hatten es die Glasarbeiter nicht notwendig, denn wenn Arbeit war, so brachten sie es immer noch auf einen halbwegs angemessenen Verdienst, um das Leben fortfristen zu können. Nun besteht aber schon seit mehr als einem Jahre eine starke Krise in der Glasindustrie und die dadurch bedingte Betriebseinschränkung bringt manche Familie in eine weniger rosige Lage, es rettet sich nun wer kann, obwohl schon Anzeichen dafürsprechen, als sollte es auch hier wieder bald besser werden“.

„Es war im Böhmerwald, wo meine Wiege stand, im schönen, grünen Wald“

Andreas Hartauer, Jahrgang 1839, wurde in jungen Jahren in die Lehre auf die Glashütte nach Eleonorenhain geschickt. Hier blieb er zwei Jahre, die nach eigenen Angaben zur schönsten Zeit seines Lebens gehörten. Es folgten die Wanderjahre, die ihn u. a. als Glasmaler nach Nordböhmen verschlugen. 1883 siedelte sich Hartauer in St. Pölten, Niederösterreich an, wo er auch sesshaft wurde. Die Liebe zum Böhmerwald ließ ihn nicht los, in tiefer Sehnsucht schuf er so das Böhmerwaldlied. Dieses Lied bekam für die vertriebenen deutschen Böhmerwäldler nach 1945 eine besondere Bedeutung.

Bereits 1937 wurde in Eleonorenhain auf einer Anhöhe über dem Dorf das Denkmal für Andreas Hartauer eingeweiht. Bilder und Zeitungsartikel aus dieser Zeit dokumentieren, dass bei der Einweihung über 5.000 Menschen anwesend waren. Das Denkmal bestand aus einer großen, etwa 4 m hohen Steinsäule mit Inschrift in deutscher Sprache und einem kleineren Findling mit Inschrift in tschechischer Sprache. Während der deutschen Besetzung des Sudetenlandes wurde die tschechische Inschrift zerstört. Nach 1945 versuchte jemand mit einer Spitzhacke das Denkmal mit deutscher Inschrift zu zerstören. Am 28. Juli 2007 wurde ein neuer Granitblock mit tschechischer Inschrift eingeweiht. Sowohl ehemalige Bewohner von Eleonorenhain als auch heutige Einwohner von Lenora nahmen an diesem Festakt teil. Ein weiterer Gedenkstein für Andreas Hartauer befinden sich am Goldenen Steig auf dem Gebiet der Gemeinde Mauth.

Auch der böhmische Komponist Bedřich Smetana hielt sich mehrfach zur Erholung in Eleonorenhain auf. Sein Aufenthalt ist durch einen Gästebucheintrag des von der Familie Kralik betriebenen Touristenhauses belegt. Man geht davon aus, dass er sich hier in der Nähe der Moldau-Quelle zu seinem Werk „Die Moldau“ inspirieren ließ.

Spuren der Sozialdemokratie in Eleonorenhain/Lenora

Leider ist über die Sozialdemokratie in Eleonorenhain nicht viel bekannt. Lediglich der „Böhmerwald-Volksbote“ berichtet am 18.1.13 über die Einrichtung einer Konsum-Filiale im Ort Eleonorenhein: „An die konsumierende Bevölkerung von Hüblern, Eleonorenhain, Schaltawa und Umgebung! Am 25. Jänner wird in Hüblern im Hause des Genossen Richard Biebl eine Filiale des Konsumvereines in Wallern eröffnet“.

Auf der Liste politischer Gegner aus der sudetendeutschen Gebiet, die am 5. Oktober 1938, gleich nach dem Einmarsch der Wehrmacht, von der Gestapo der Staatspolizeistelle Regensburg übergeben wurden, finden sich folgende Namen aus der Gemeinde Eleonorenhein - einige von ihnen kamen unverzüglich "zur Umerziehung" ins KZ Dachau:

- Gabauer Johann, geb. 1.6.76 in Hüblern (D.S.A.P. Angehöriger) KZ Dachau

- Alber   Rudolf, geb. 16.4.01 in Eleonorenhain (sozialdem. Einst.)

- Schröder Wilhelm, geb.  6.2.10 in Eleonorenhain (sozialdem.   Einstellung)

- Wagner Johann, geb. 20.3.84 in Hüblern (D.S.A.P.  Angehöriger)

- Wagner Adolf, geb.  26.1.07 in Eleonorenhain (sozialdem.  Betätigung)

- Wagner Franz, geb. 9.7.10 in Eleonorenhain (sozialdem. Betätigung)

- Wagner Karl, geb. 28.1.12 in Eleonorenhain (Sozialdemokrat)

- Russmüller Franz, geb. 2.11.94 in Schattawa (sozialdem.  Betätigung)

- Wagner Peter, geb. 7.5.86 in Hüblern (Gewerkschaftsfunktionär)

- Olivo Franz, geb. 17.2.88 in Hüblern (Sozialdemokrat)

- Weishäupl Johann, geb.  26.7.12 in Hüblern (Sozialdemokrat)

- Hrosch   Franz, geb. 26.7.14 in Eleonorenhain (Sozialdemokrat)

- Schimunek Franz, geb.  22.7.97 in Eleonorenhain (Sozialdemokrat)

- Piller Franz, geb.  9.11.88 in Eleonorenhain (Sozialdemokrat)

Weiter findet sich auf der Sonderfahndungsliste G.B. (Sonderfahndungsliste Großbritannien) u.a. der Eintrag: Wenzl Kuplent (* 22. Juni 1897 in Eleonorenhain).

 

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