Leserbrief

Veröffentlicht am 29.09.2018 in

Leonhardt Maniura (5.v.li.) mit Genossinnen und Genossen der SPD-Dotzheim 2016

 

Leserbrief zum Artikel "Seliger-Gemeinde in großer Sorge um die politische Entwicklung" in der BRÜCKE Nr. 57

 

An den Bundesvorstand der Seliger-Gemeinde in München
Lieber Albrecht und lieber Helmut,


Euer Artikel in der BRÜCKE Nr. 57 "Seliger-Gemeinde in großer Sorge um die politische Entwicklung" zeigt, wie es zu einem Weltkrieg kommen kann und wieviel Verluste dies gebracht hat. Daher erstaunlich, wieviel Wahlberechtigte bei uns rechte Gruppen wählen.


 

Dazu ein Beispiel, wie sich der Krieg in meinem Umfeld ausgewirkt hat: 12 Tote im Verwandtenkreis, 38 Tote Klassenkameraden und nicht zuletzt 2 Tote von besonders befreundeten Mit-Soldaten. Nicht zu vergessen ist der Verlust der Heimat. Und der Krieg hat mir auch zwei (ironisch gemeinte) Geburtstage gebracht.


Der 2. Weltkrieg begann am 1. September 1939 mit der Artilleriebeschießung meines Heimatortes von ab 1922 zu Polen gehörenden Nachbarort. 1922 war bekanntlich die ungerechte Trennung Oberschlesiens. Natürlich hatten wir im Nachbarort auch deutsche Verwandte, die nun Polen waren. Also an diesem Tag - es war ein Freitag - ging ich wie gewohnt in die Schule. Damals war ich 12 Jahre alt. Wir wurden heimgeschickt, denn als Grund wurde angegeben, dass Danzig "befreit" worden ist. Und gegen 10 Uhr begann die erwähnte Beschießung, wobei eine Granate die Schule traf und zwar auf der Stelle, wo unser Klassenzimmer war. Das nenne ich nun den 2. Geburtstag!


Am 28. August 1943 war ich im Alter von 16 Jahren zum Reichsarbeitsdienst einberufen worden. Nach drei Monaten zwar entlassen, aber am 17. Dezember 1943 (an meinem 17. Geb.-Tag) zur Luftwaffe einberufen worden. Nie Urlaub gehabt! Im Herbst wurde die Luftwaffe (ich befand mich auf der Bordfunkerschule in Lyon) aufgelöst, weil es keinen Benzin für die Flugzeuge mehr gab. Die einzelnen Kompanien wurden nun ungefragt der Waffen-SS oder den Fallschirmjägern zugeteilt. Mein Glück: unsere Kompanie geriet zu den Fallschirmjägern.


Nun zu meinem 3. Geburtstag: Während der Ardennen-Offensive lagen wir im Raum Eupen-Malmedy-St. Vith. Am 5. Januar 1945 traf eine Granate der US-Truppe unsere Unterkunft, wobei es zwei Tote gab, mich schützte ein umgekippter Schrank. Und bei diesen Toten handelt es sich um , wie auch ich es war. Da wir drei die einzigen Schlesier in der Kompanie waren, ergab sich naturgemäß eine engere Freundschaft. Für mich aber war es nun wieder ein Geburtstag. Ironisch gerechnet, wäre ich danach erst 73 Jahre alt! Kurz nach diesem Einschlag geriet ich in US-Kriegsgefangenschaft, aus der ich am 6. April 1946 in Bad Aibling entlassen worden bin. Ich ließ mich nach Kassel entlassen, weil ich ja nicht in mein nun polnische gewordenes Oberschlesien fahren wollte.


Daher war ich weiter hin getrennt von meiner Mutter und den jüngeren Geschwistern und erst 1956 (!) erhielt ich die Erlaubnis, nach Hause zu fahren, also nach 13jähriger Trennung!


Nun ein weiteres negatives Ereignis, das ein Krieg so mit sich bringt: Meine Post aus dem US-Kriegsgefangenenlager in Fort Knox, Kentucky, blieb von meiner verwitweten Mutter unbeantwortet. Ich erhielt meine Post im Jahre 1957 von der Oberschlesischen  Heimatortskartei in Passau zugesandt, mit der Bemerkung, dass sie 1945 deshalb nicht zugestellt werden konnte, weil mein Heimatort nicht mehr unter der deutschen Adresse zu erreichen war. Erst als ich zu Weihnachten 1945 eine Karte an meine Tante im benachbarten, seit 1922 zu Polen gehörenden Ort sandte, bekam meine Mutter die Nachricht, dass , seit über einem Jahr vermisst, am Leben war. Meine Tante war nämlich sogleich zu ihrer Schwester (meiner Mutter) gegangen und hat ihr diese freudige Nachricht gegeben. Ja, da sieht man in welch (bange) Situationen Mütter, gleich welcher Nation, durch Kriege gebracht werden.


Zum Schluss etwas besonders Grausames: Ein Cousin meiner Frau war im Krieg deutscher Soldat. Seine beiden jüngeren Brüder sind 1929 in die USA ausgewandert. Es hätte also durchaus sein können, dass es zu einem Bruderkampf gekommen wäre!


Eigenes Erlebnis: Ich hätte als Soldat meinen beiden Cousins, Söhne meiner oben erwähnten Tante, die bei einer polnischen Einheit in England waren, gegenüber stehen können! Grausamer kann ein Krieg gar nicht sein.


Das war es, was ich zu Eurem eingangs erwähnten Ausführungen berichten kann.


Leider kann ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nach Bad Alexandersbad kommen.  Dort hätte ich all dieses als Zeitzeuge vortragen können.


Ich verbleibe mit vielen Grüßen, denen sich auch meine Resi anschließt, Euer LEO

 

Leonhardt (Leo) Maniura (92)

Krähenweg 5

65199 Wiesbaden

 

Anfang des Jahres Anfang ist Leo, der auch Ehrenvorsitzender des Landesverbandes Hessen ist,  in Wiesbaden für seine ehrenamtlichen Tätigkeiten mit der Dotzheimer Ehrennadel geehrt worden. Bei der Laudatio wurden besonders seine ehrenamtlichen Tätigkeiten für die Seliger-Gemeinde hervorgehoben.Die Seliger Gemeinde gratuliert dazu recht herzlich.

Zur Person: Leonhardt trat 1951 in die SPD ein. Er wurde 1926 in Oberschlesien geboren und kam nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 1946 nach Hessen und 1958 nach Wiesbaden, genauer gesagt ins Kohlheck. Hier wurde er nicht nur in der Bürgervereinigung, sondern auch im SPD-Ortsverein aktiv, dessen Vorsitzender er in den Jahren 1975 und 1976 war. Auch im Ortsbeirat in Dotzheim und im Unterbezirksvorstand der SPD Wiesbaden, besonders aber in der Gesinnungsgemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten, der Seliger-Gemeinde, engagierte er sich. Hier war er langjähriger Landesgeschäftsführer, Landesvorsitzender und ist nun Ehren-Landesvorsitzender. Leonhardt Maniura fügt den Ehrenbrief der SPD 2016 seiner Sammlung, bestehend aus dem Bundesverdienstkreuz am Bande, dem Hessenbrief und der Bürgermedaille der Landeshauptstadt Wiesbaden, hinzu.

 

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