Wenzel-Jaksch-Preisverleihung 2017

Veröffentlicht am 19.06.2017 in

Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse wird von Albrecht Schläger MdL a.D. und Dr. Helmut Eikam mit dem Wenzel-Jaksch-Preis der Seliger Gemeinde ausgezeichnet.

 

Wenzel-Jaksch-Preis für den Schlesier Wolfgang Thierse

Hohe Auszeichnung für Ex-Bundestagspräsident durch die Seliger Gemeinde beim Vertriebenen-Empfang 2017

Die Verleihung des Wenzel-Jaksch-Preises 2017 erfolgte anlässlich des zehnten Jahresempfangs der SPD-Landtagsfraktion für Heimatvertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler am Sonntag den 18. Juni 2017 im Bayerischen Landtag. Der 50. Preisträger des Wenzel-Jaksch-Preises ist der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.

Dr. Peter Becher, studierter Germanist und Historiker, seit 1991 Mitglied der Seliger-Gemeinde und von 2003 bis 2005 Bundesvorsitzender zusammen mit Dr. Martin Bachstein, stellte den Preisträger in seiner Laudatio vor. Wolfgang Thierse, 1943 in Breslau geboren, wurde mit seinen Eltern und der gesamten weitverzweigten Familie aus der schlesischen Heimat vertrieben. Deren kleineren Teil verschlug es nach Eisfeld in Thüringen, nicht in eine der westlichen Besatzungszonen. Dies hatte Konsequenzen. Heimatvertriebener in der Sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR zu sein, bedeutete, dass die „trauernden Erinnerung an die verlorene Heimat nur im engsten Kreis der Familie und allenfalls noch in den katholischen Kirchengemeinden, die häufig Schlesier und Sudetendeutsche zusammenführte, gelebt werden konnte“, erinnert sich Thierse in seiner Dankesrede. Dabei machten die Vertriebenen bei der Gründung der DDR mit vier Millionen Menschen noch mehr als ein Fünftel der Bevölkerung aus. „Öffentlich durfte sie nicht werden, denn offiziell gab es uns Flüchtlinge und Vertriebene in der DDR gar nicht. Stattdessen war beschönigend von ‚Umsiedlern‘ die Rede, als hätte man seine Möbel gepackt und wäre umgezogen. Ich bin aufgewachsen in der Erinnerung an die Heimat und den Verlustschmerz, aber ohne jede Rache- oder Revanchegefühle“, so Thierse weiter. Bei aller Sympathie dafür, dass man die Erinnerung an die Heimat pflegt, seien seinem Vater, dem DDR-Bürger, die seinerzeitigen westdeutschen Vertriebenenverbände immer fremd geblieben. Auch weil diese nicht wahrhaben wollten, dass das irreversibel sei, so Thierse. Gruppierungen wie die Seliger-Gemeinde oder die Ackermann-Gemeinde sei nicht bekannt gewesen. Dass namhafte Sozialdemokraten in den Gremien der Landsmannschaften wirkten, war unvorstellbar.

Nach dem Abitur an der im südthüringischen Hildburghausen erlernte er den Beruf des Schriftsetzers beim Thüringer Tagblatt in Weimar. Thierse begann 1964 ein Studium der Germanistik und der Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, das er 1969 mit dem Diplom beendete. Anschließend arbeitete er an der Sektion Kulturwissenschaften/Ästhetik der Humboldt-Universität als wissenschaftlicher Assistent. Das Ministerium für Kultur der DDR, wo er ab 1975 in der Abteilung Bildende Kunst tätig war, entließ ihn, nachdem er sich geweigert hatte, eine Erklärung zu unterzeichnen, mit der er die Ausbürgerung von Wolf Biermann befürworten sollte. 1977 ging er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR.

Thierse war bis zur Wende und der friedlichen Revolution parteilos und trat im Oktober 1989 dem Neuen Forum bei. Anfang Januar 1990 wurde er dann Mitglied der neugegründeten Sozialdemokratischen Partei der DDR (SDP). Nach dem Rücktritt von Ibrahim Böhme wurde Thierse am 9. Juni 1990 auf einem Sonderparteitag zum Vorsitzenden der SPD der DDR gewählt. Auf dem Vereinigungsparteitag der SPD wurde er am 27. September 1990 zu einem der stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Aus diesem Amt schied er im November 2005 aus, gehörte aber weiterhin dem Parteivorstand an.

Von März bis Oktober 1990 gehörte Thierse der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR an. Hier war er zunächst stellvertretender Vorsitzender und ab dem 21. August 1990 Vorsitzender der SPD-Volkskammerfraktion. Thierse zählte zu den 144 von der Volkskammer gewählten Abgeordneten, die am 3. Oktober 1990 Mitglied des Deutschen Bundestages wurden. Am 4. Oktober 1990 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gewählt.

Am 26. Oktober 1998 wurde Thierse zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt und am 17. Oktober 2002  im Amt bestätigt. In seine erste Amtszeit fiel auch die CDU-Spendenaffäre, die ihn als Parlamentspräsidenten insoweit betraf, als er qua Amt für die Überwachung der Einhaltung des Parteiengesetzes und die Ahndung eventueller Verstöße verantwortlich war. Er verhängte eine Strafe in Höhe von 7,8 Millionen D-Mark gegen die CDU und ließ die staatlichen Zuschüsse an die CDU um insgesamt 41 Millionen D-Mark kürzen. Über diese Geschehnisse sagte er selbst, es wäre ihm lieber gewesen, er hätte sich nicht mit ihnen beschäftigen müssen. Von Seiten der Union wurde Thierse wegen der verhängten Strafzahlung mehrfach angegriffen und seine Überparteilichkeit in Frage gestellt. Das Bundesverfassungsgericht allerdings bestätigte die Rechtmäßigkeit dieses im Parteiengesetz ausdrücklich vorgesehenen Vorgehens. Da die CDU/CSU-Bundestagsfraktion als stärkste Fraktion aus der Bundestagswahl 2005 hervorging, war seine Amtszeit am 18. Oktober 2005 beendet. 2005 und 2009 wurde er zum Vizepräsidenten des Bundestags gewählt. Bei der Bundestagswahl 2013 hat Wolfgang Thierse nicht mehr kandidiert.

Als 1998 frisch gewählter Bundestagspräsident hat Thierse dann entsprechende außenpolitische Akzente gesetzt. Sein erster Auslandsbesuch im neuen Amt führte nach Paris, gleich danach nach Warschau und Prag.

Als wichtigstes vertriebenenpolitisches Engagement ist Thierses Eintreten für das „Sichtbare Zeichen“ und die „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ zu werten. Er war auf sozialdemokratischer Seite maßgeblich daran beteiligt, dass das lange umstrittene Projekt durch die erste Große Koalition des wiedervereinigten Deutschlands Ende 2005 endlich vereinbart werden konnte. Die damalige Entwicklung erinnert er so: „Wie gehen wir mit dem Thema der Erinnerung an die Vertreibung um, war zum Gegenstand der Koalitionsverhandlungen geworden. Es war zunächst in den Händen der Außenpolitiker. Und die berichteten, dass sie sich nicht einigen können, dass es nur Krach gäbe. Da habe ich gesagt, dann nehmen wir das rüber in die Arbeitsgruppe, die sich mit Kultur beschäftigt. Da war mein Gegenüber Herr Lammert, mit dem kriegen wir das hin.“ Sein Anliegen sei dabei gewesen, „das ‚Sichtbare Zeichen‘ zu einer politischen Anstrengung zu machen, zu einem Gegenstand offizieller Geschichtspolitik und damit zur Angelegenheit unseres Staates, unserer Gesellschaft, nicht zu einer Sache einer Interessengruppe. Die Bundesrepublik nimmt sich dieser Erinnerung, dieses aufklärerischen Gedenkens an geschichtliche Wahrheiten an und macht daraus ein Projekt der Versöhnung und Verständigung ohne Verdrängung.“ Mit dieser Zielsetzung hat Wolfgang Thierse im Jahr 2008 nicht nur an der Konzeption für die Stiftung entscheidend mitgewirkt, sondern über Jahre auch im Stiftungsrat. Dass das Projekt so gut gelang, ist auch sein Verdienst. Der Wenzel-Jaksch-Gedächtnispreis 2017 geht somit abermals an einen Brückenbauer, der ihn verdient hat.

 

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