Vor 100 Jahren: 4. DSAP-Parteitag in Aussig

Veröffentlicht am 19.12.2023 in Allgemein

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Vom 16. bis 18. Dezember 1923 fand der 4. DSAP-Parteitag im Volkshaus in Aussig statt

 

 

Parteitag als Zeichen der unzerstörbaren Lebenskraft der Sozialdemokratie

Czech gegen nationalistische Katastrophenpolitik - Karl Cermak und Oswald Hillebrand zu Stellvertretern des Parteivorsitzenden gewählt

Am Sonntag den 16. Dezember 1923 wurde der Parteitag der DSAP um 9.45 Uhr im großen Saal des Volkshauses in Aussig eröffnet. Die mächtige Bühne war rot ausgeschlagen, im Hintergrund grün geschmückt. Vor der Bühne, rot drapiert, das Rednerpult. Rechts davon der Tisch des Parteivorstands, links der Tisch der Parteijournalisten. Auf der geräumigen Galerie, die rings um den Saal führt und mit bunten Fahnen reich verziert ist, saßen Kopf an Kopf die Gäste. An 300 Delegierte, Männer und Frauen, an der Brust die rote Nelke, füllten an langen weißen Tischen den tiefen weiten Saal. Der Arbeitergesangverein Aussig gab mit Uthmanns mächtigem Chor „Lord Foleson“ dem Kongress feierlichen Auftakt. Dann brauste die „Internationale“ durch den Saal.

Der Vorsitzende der Partei, Dr. Ludwig Czech, sprach das Eröffnungswort. Danach folgte die Wahl des Präsidiums und das Totengedenken. Noch immer war die Spaltung der Partei und ihre Folgen sehr präsent und die Sozialdemokratie sieht sich als Sieger. Czech begrüßte die Gäste aus Deutschland und die anwesenden tschechischen Genossen. Aus England, Österreich, Polen und Ungarn wurden Begrüßungsschreiben verlesen. Weitere Noten kamen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Lettland.

Auf Antrag von 57 Delegierten wurde beschlossen, während der Tagung nicht zu rauchen.

Für die Aussiger Arbeiterschaft grüßte Genosse Schiller den Parteitag und zeigte sich voll Stolz, dass der Parteitag im neuen Haus der Arbeiter stattfindet. Die Aussiger Genossen luden zu einer Aufführung des „Fidelio“ im Stadttheater und zum Symphoniekonzert ein.

Nach den Berichten des Parteivorstandes, des Kassiers und der Kontrolle (Revision) sprach Dr. Ludwig Czech zum Thema „die parlamentarische Tätigkeit und unsere politische Aufgabe“. Ein weiteres Thema war die Wirtschaftskrise und die Wirtschaftspolitik in der Tschechoslowakei sein. Weiter auf dem Programm standen Neuwahlen sowie eine Reihe allgemeiner Anträge.

Zum vierten Mal seit Bestehen der Tschechoslowakischen Republik versammelten sich die Vertrauensmänner der klassenbewussten deutschen Arbeiterschaft, um sich über die nächsten Aufgaben der DSAP zu verständigen. Die Parteitage in Teplitz, Karlsbad und Tetschen bedeuteten wichtige Stationen des Weges, den die DSAP in dem jungen Staat bisher zurückgelegt hat. Jeder dieser Parteitage hatte eine besondere Aufgabe in schwieriger Zeit. Neben der Wiederbelebung der Sozialistischen Internationale war die eigene Bildungsarbeit ein großes Thema. Es galt die wiedererstarkten Bildungseinrichtungen zu gliedern, zu bündeln und zu organisieren. Zeitgleich sollen neue Mitglieder gewonnen werden.

Ein weiterer Meilenstein war die Bündelung der sozialdemokratischen Pressearbeit. Es wurde ein Presseausschuss eingerichtet und beschlossen, dass die Parteiblätter ab 1. Februar 1924 gemeinsam erscheinen sollten.

Ein weiterer wichtiger Punkt war die Errichtung einer Sozialversicherung. Schon hier, 1923 ging es um die Geschlossenheit und die Vorteile einer „Einheitskasse“. Die Zersplitterung werde aus politischen Gründen angestrebt, so Redner Siegfried Taub. 800.000 landwirtschaftliche Arbeiter und 160.000 Handelsangestellte ausgelagert werden: „Ein Verbrechen“ nennt das Taub. Auch die Selbstverwaltung stehe auf der Kippe, so der Redner. „Die Bürgerlichen und Industriellen laufen dagegen Sturm“. Es wird eine Verschlechterung der Krankenversicherung befürchtet und die eine Regelung der Arbeitslosenversicherung fehle. Ein großer Fehler, wie sich in den kommenden Jahren herausstellen sollte. Es wurde eine Resolution gegen die weitere Verzögerung der Einführung einer Sozialversicherung und deren unsoziale Ausrichtung.

Am zweiten Verhandlungstag stand die mit Spannung erwartete Rede des Parteivorsitzenden Dr. Ludwig Czech zu den „politischen Aufgaben der deutschen Sozialdemokratie“ auf dem Programm.  Czech beklagte, dass die Tschechoslowakei, die die anderen Staaten Europas, den Angriffen der Gegenrevolution ausgesetzt sei und er beklagte die Diskrepanz zwischen schönem Schein nach außen und bitterer Realität im Innern. Die Weltwirtschaftskrise habe die Tschechoslowakei erreicht und alle Arbeiter litten darunter. Er warf einen Blick auf die durch Arbeitslosigkeit, Elend, Wirtschaftskrise und Währungskatastrophe geschwächte deutsche Arbeiterschaft. Ebenso auf die italienische Arbeiterschaft, die bereits „brutal niedergetreten“ Opfer des Faschismus geworden war. In Ungarn herrsche der Horthysmus, in Spanien eine offene Militärdiktatur. Czech forderte mit Bezug auf Josef Seliger die Arbeiterklasse auf, sich über die nationalen Grenzen hinweg zu solidarisieren und sich nicht dem Nationalismus hinzugeben.

Pressestimmen: Parteitage der Sozialdemokraten sind keine Paraden, wie die anderer Parteien, besonders jene der bürgerlichen Parteien, die lediglich als Schaustücke nach außen wirken sollen, um Kraft, Geschlossenheit und inneres geistiges Leben vorzutäuschen. Unsere Pareitagungen dienen dem Zweck, in demokratischer Durcharbeitung und in freier, vom Geiste selbstauferlegter Disziplin geleisteter Aussprache, die Richtlinien des künftigen Handelns der Partei zu finden. Es gibt kaum eine zweite Partei, die es so vertrüge wie die sozialdemokratische, die Freiheit der Meinungsäußerung ihrer Angehörigen zu wahren. Diese Freiheit ist in unserer Partei eine aus ihrem demokratischen Geiste und Gefüge sich ergebende Selbstverständlichkeit und noch mehr: sie ist geradezu eine Vorbedingung ihrer Gesundheit, Entwicklung und Reife.  Wie kindlich töricht ist demgegenüber der gehässige Aberwitz, der von „Unzufriedenheit in der sozialdemokratischen Partei“ faselt, wenn einzelne Mitglieder und Organisationen nach bestem Wissen Anregungen bringen und mitbestrebt sind, die Massen für die Kämpfe zu schmieden!

Die Wahlen ergaben, dass Karl Cermak und Oswald Hillebrand zu Stellvertretern des Parteivorsitzenden Dr. Ludwig Czech aufstiegen. Dr. Karl Heller wurde zum Parteikassier und Genosse Theodor Hackenberg zu dessen Stellvertreter gewählt. Zum Leiter des Parteisekretariats wurde neuerdings der Genosse Cermak bestimmt. Vorsitzender der Parteikontrolle (Revision) wurde Anton Augsten aus Warnsdorf.

 

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