seliger-online 04.12.2023 - Abendschule

Veröffentlicht am 15.12.2023 in Allgemein

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Sudetendeutsche Sozialdemokraten, die die Seite wechselten und ehemalige Nazis in der Seliger-Gemeinde

 

Bei der letzten seliger-online-Veranstaltung des Jahres 2023präsentierte Thomas Oellermann in der Abendschule zu den Grundlagen der Geschichte der sudetendeutschen Sozialdemokratie das Thema „Sudetendeutsche Sozialdemokraten, die die Seite wechselten und ehemalige Nazis in der Seliger-Gemeinde“. Hierbei sollten folgende Fragen geklärt werden: Gab es sudetendeutsche Sozialdemokraten, die einmal die Seiten wechselten? - Gab ehemalige Nationalsozialisten die dann in der Seliger-Gemeinde tätig waren? Thomas Oellermann fordert auf, diesen Teil der Geschichte neu zu schreiben.

War es doch eher üblich, dass Sozialdemokraten in den Böhmischen Ländern in den 20er Jahren zu den Kommunisten wechselten – oder umgekehrt, weil es doch vergleichbare Weltanschauungen waren, so war der Wechsel ins rechte Lager doch eher die Ausnahme, erklärte Thomas Oellermann in seinen Ausführungen. Aber auch die Schwesterpartei der deutschen NSDAP, die DNSAP im Sudetenland war eine Arbeiterpartei. Es war 1933, als sich die Sudetendeutsche Heimatfront aus der später die Sudetendeutsche Partei entstand, gründete. Vor allem gewerkschaftlich organisierte Angestelltenverbände, die wenig mit der Arbeiterbewegung zu tun hatten, fanden den Weg in die Henlein-Partei. 1938 im Zuge der Unruhen im Sommer und dem Anschluss ans Reich im Herbst wechselten doch viele ins rechte Lager, so Oellermann. Viele wurden sicherlich unter Druck gesetzt – es drohte der Verlust des Arbeitsplatztes, Verhaftung und Arrest. Aber es gab auch eine Reihe von Opportunisten, die in der aufsteigenden Rechten ihre Zukunft sahen.

Einer von diesen, so Oellermann weiter, war Emil Franzel. Geboren am 29. Mai 1901 in Haan bei Dux in Böhmen war er eine der Nachwuchshoffnungen der DSAP, die sich auch im engen Kreis um Wenzel Jaksch bewegten. Franzel studierte Geschichte, Germanistik, Geographie und Staatswissenschaften. 1925 erlangte er das Staatsexamen und wurde promoviert. Von 1924 bis 1937 war er freier Schriftsteller. 1937 wechselte er zur Sudetendeutschen Partei und hoffte im neuen Regime Karriere zu machen. 1938/39 arisierte er das Prager Bildungsinstitut „Urania“, d.h. er entließ alle jüdischen Führungskräfte und Mitarbeiter. Eine Karriere in der NSDAP wollte sich nicht so richtig ergeben, so dass Franzel nach dem 2. Weltkrieg als Publizist in Bayern sein Auskommen fand. Beruflich war er von 1951 bis zur Pensionierung 1963 Mitarbeiter der Bayerischen Staatsbibliothek in München. Von 1953 bis 1963 war er Ministerialbeauftragter für das staatliche Büchereiwesen in Bayern. Er war Gründungsmitglied der Sudetendeutschen Landsmannschaft und des Sudetendeutschen Rates. 1962 erhielt er den sudetendeutschen Förderpreis. 1968 wurde er mit dem Konrad-Adenauer-Preis der Deutschland-Stiftung ausgezeichnet. Als Publizist bediente er eine „neue, europäische Rechte“ mit einer Vielzahl von Vertreibungsbüchern. Thomas Oellermann verwies dabei auf die „Emil Franzel (1901–1976): Biografie eines sudetendeutschen Intellektuellen“, eine Magisterarbeit unseres Mitglieds Thomas Keller.

Ein weiteres Kapitel, dass sehr wenig erforscht sei, so Oellermann, seien die sudetendeutschen Sozialdemokraten in der Wehrmacht. Nicht wenige Sozialdemokraten wurden nach KZ-Aufenthalten direkt in die Wehrmacht eingezogen und mussten an den Kämpfen auch in Russland teilnehmen, oftmals ganz vorn an der Front in den Strafbataillonen (richtig: Bewährungsbataillonen) z.T. auch in Russland.

Nicht zuletzt griff Oellermann die Tatsache auf, dass sich auch einige Nazis in der Seliger-Gemeinde wiederfanden. Aus den Gratulationen, Lebensläufen und Nachrufen in der Zeitschrift „Die Brücke“ ließen sich in den verklausulierten Beschreibungen der Kriegszeit entsprechende Schlüsse ziehen. „Hier findet sich so manche NS-Karriere“, so Thomas Oellermann. Natürlich seien hier auch ehemalige Nationalsozialisten gelandet, die ihre Lehre aus der Vergangenheit gezogen und sich neu orientiert hätten. Es seien hier aber auch, wie in der SPD, junge NS-Kader, die im Nationalsozialismus sozialisiert wurden und dem konservativen Katholizismus die Idee des Sozialismus vorgezogen haben, gelandet. „Die Seliger-Gemeinde hat diesen Teil ihrer Geschichte lange nicht wirklich reflektiert“, so Oellermann. Neue Quellen böten die Möglichkeit diesen Teil der Geschichte neu zu schreiben, sei er doch auch ein wichtiger Teil der Geschichte der sudetendeutschen Sozialdemokratie.

Diese Abendschule mit Thomas Oellermann zum Thema „Sudetendeutsche Sozialdemokraten, die die Seite wechselten und ehemalige Nazis in der Seliger-Gemeinde“ kann jederzeit als Podcast nachgehört werden.

 

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