Jahresseminar 2022

Veröffentlicht am 05.11.2022 in Allgemein

Diskutierten über Europas Weg nach Kiew: Jörg Nürnberger MdB (2.v.li.), Libor Rouček MdEP a.D. (2.v.re.) mit den Moderatoren Christa Naaß MdL a.D. (li) und Thomas Oellermann (re.)

 

Das Ende der Illusion

Alexandersbader Forum befasste sich mit "Europas Weg nach Kiew – Deutsche und Tschechen in der Europäischen Union"

Das Jahresseminar 2022 der Seliger-Gemeinde vom 28. - 30. Oktober 2022 im evangelischen Bildungs- und Tagungszentrum Bad Alexandersbad stand unter dem Titel "Deutschland und Tschechien gemeinsam stark in schwierigen Zeiten". Mit fast 80 Personen war das Seminar sehrt gut besucht und die Teilnehmer konnten ein wunderschönes Herbstwochenende mit äußerst interessanten Programmpunkten genießen. Höhepunkt der Veranstaltung war, wie seit vielen Jahren, das Alexandersbader Forum. Ein Diskussionsformat, das sich mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen im deutsch-tschechischen Dialog befasst. Zum Thema "Europas Weg nach Kiew – Deutsche und Tschechen in der Europäischen Union" diskutierten der Bundestagsabgeordnete Jörg Nürnberger (SPD) mit dem ehemaligen tschechischen Europa-Abgeordneten und Ko-Vorsitzenden des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums, Libor Rouček.             

Nach der Bundesversammlung der Seliger-Gemeinde am Samstagvormittag unter Beisein von Bürgermeisterin Anita Berek, Klaus Adelt, MdL und Matthias Dornhuber, dem stellvertretenden Landesvorsitzenden der BayernSPD, luden Christa Naaß, MdL a.D. und Thomas Oellermann, beide Mitglied des Präsidiums der Seliger-Gemeinde, den Bundestagsabgeordnete Jörg Nürnberger und Libor Rouček, MdEP a.D. zur Diskussionsrunde ein. Der 1967 in Wunsiedel geborene Jörg Nürnberger ist seit 2008 Mitglied im Gemeinderat der Gemeinde Tröstau; seit 2014 Kreisrat im Kreistag des Landkreises Wunsiedel und seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages, u.a. im Verteidigungsausschuss, sowie Mitglied des Bundesvorstands der Seliger-Gemeinde. Nürnberger erklärte in seinem Eingangsstatement, dass sich Deutschland und die Europäische Union aufgrund des Angriffskrieges Putins auf die Ukraine in einer außergewöhnlich schwierigen Situation befänden, wie sie es seit dem Ende des 2. Weltkrieges nicht mehr gewesen sei. Er erinnerte daran, das nur noch wenige Menschan eine vergleichbare Situation erlebt hätten und viele, vor allem jüngere Menschen, völlig verunsichert seien, weil sie eine solche Lage gar nicht einschätzen könnten. Nürnberger zeigte sich überzeugt, dass sich die Ukraine mit Unterstützung der EU gegen diesen Angriff wehren müsse, um auch unsere Freiheit zu gewährleisten. Europa könne nur mit einer  gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungpolitik auf eine solche Agression antworten. Dass ein engeres Zusammenarbeiten möglich sei, zeige die aktuelle Situation, wo Deutsche und Tschechen miteinander und sich gegenseitig verteidigend, für ein gemeinsames Europa kämpften. Wer hätte das in früheren Zeiten einmal für möglich gehalten“, so Nürnberger.

Der 1954 in Kladno geborene Libor Rouček emigrierte mit 22 Jahren aus der Tschechoslowakei und promovierte an der Universität Wien im Fachbereich Politikwissenschaften und Soziologie mit Schwerpunkt im Bereich Internationale Beziehungen. Er arbeitete anschließend in Washington, London und beim US-amerikanischen Auslandssender „Voice of America“. Rouček ist Mitglied der sozialdemokratischen Partei ČSSD, war von 2004 bis 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments und zeitweise auch Vizepräsident des Parlaments. Rouček bezeichnete die aktuelle Situation als „in jüngster Geschichte nie dagewesen“ und wollte sie auch nicht mit dem Jugoslawien-Krieg vergleichen, denn dort sei keine Großmacht involviert und der Konflikt von vorneherein lokal begrenzt gewesen. Rouček verurteilte den völkerrechtswidrigen Angriff und erinnerte an den auch durch Russland garantierten unabhängigen Status der Ukraine. Aus nationalistischen Gründen werde die Ukraine von Russland als Nation negiert. Putin hätte die europäische Nachkriegsordnung mit seinem Angriff nach 70 Jahren einfach zerstört, so Rouček weiter und zitierte den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier mit den Worten „das Ende der Illusion“.

Das Ende der Illusion

So schlimm dies auch sei, so Jörg Nürnberger, müsse man nun erkennen, dass das Vertrauen in Russland sowie das Vertrauen auf gemeinsam geschlossene Verträge ein Fehler gewesen sei. Der Glaube an den Wandel durch Annäherung und wirtschaftliche Zusammenarbeit habe sich, zumindest in Bezug auf Russland, im Nachhinein als falsch erwiesen. Es war ebenso falsch, die Warnungen der osteuropäischen Partner vor einer zu großen Abhängikkeit auf dem Energiesektor in den Wind zu schlagen. Libor Rouček erklärte, dass nun die Extremisten von „Links und Rechts“ in beiden Ländern ihre Chance sähen und die Gesellschaft zu spalten versuchten. Die AfD in Deutschland, die Kommunisten und Nationalisten in Tschechien, würden die Menschen verunsichern und gegen die bestehende Ordnung hetzen. Sie versprächen billige Energie bei einem Verhandlungsfrieden mit Putin – auf Kosten der Souveränität der Ukraine. Es gebe, so Rouček, einen Bevölkerungsanteil von ca. 20 Prozent in Tschechien und in Deutschland, der gegen die EU, gegen die NATO und für Putin einstünden. Hierzu müsse man aber auch wissen, dass Russland seit Jahren durch gezielte Propaganda, Falschinformationen, viel Geld und nun auch durch hohe Energiekosten Europa zu spalten und zu zerstören versuche. Er nannte als Beispiel Ungarn, Polen und neu dazugekommen: Italien.

Schwierige Energiepolitik in Europa

Angesprochen auf das 200-Milliarden-Entlastungspaket der Bundesregierung, das in den Reihen der EU-Länder für viel Unmut sorge, erklärte Jörg Nürnberger, dass dieses Entlastungspaket für die Bürger und die deutsche Wirtschaft sehr wichtig sei. „Wenn die deutsche Wirtschaft kippt, kippt Europa“, so sein Statement. Putin habe schon fasst erreicht, dass sich die europäischen Partner im Streit überwerfen. Hier helfe nur echte Solidarität untereinander. Es zeige sich wieder, dass die große Idee Europas in der Praxis nicht so leicht umzusetzen sei. Historische Gegebenheiten, nationale Eigenheiten stünden im Weg. So hätte Frankreich, das am meisten gegen das deutsche Entlastungspaket wettere, noch nie einen freien Energiemarkt gehabt. Die französischen Energiekonzerne seien schon immer staatlich gestützt worden, so Nürnberger. Libor Rouček erklärte hierzu, dass der Prozess der europäischen Einigung in Bewegung sei und man aus Fehlern lernen müsse. Es gelte sich anzupassen und durchzuhalten. Rouček zeigte sich überzeugt, dass die Energiepreise auf Dauer durch den Einsatz der erneuerbaren Energien deutlich sinken werden.

Ein weiterer Diskussionpunkt waren die Erweiterungspläne der Europäischen Union. Jörg Nürnberger erklärte, dass Europa mehr als die EU sei. Der Balkan, die osteuropäischen Staaten mit der Ukraine gehörten für ihn unmissverständlich dazu. Es gelte die EU fit zu machen für die Zukunft durch die Stärkung des Europäischen Parlaments. „Erst die Reform, dann die Erweiterung“ so sein Fahrplan.

Blick in die Zukunft

Schließlich ging es um die Zukunft. Werde es Verhandlungen mit Putin geben? Welche Perspektiven habe die Ukraine? Auch hierzu standen die beiden Politiker Rede und Antwort. Nürnberger erklärte klar, dass er Verhandlungen mit Putin zustimmen könne, aber nur wenn dieser 1. den Krieg sofort beendet und 2. sich aus dem Gebiet der Ukraine komplett zurückziehe. Die Zukunft der Ukraine sahen beide Redner sehr positiv. Beide zeigten sich überzeugt, dass die Ukraine mit Hilfe der europäischen Partner diesen Krieg nicht verlieren werde. Anschließend könne der Wideraufbau und die Eingliederung in die EU erfolgen. Die Ukraine sei bereits auf einem guten Weg gewesen, die Korruption einzudämmen und sich eine freiheitliche, pluralistische und demokratische Grundordnung zu geben – dies sei ja auch Grund des russischen Angriffs gewesen. Libor Rouček meinte, es sei immer besser in der EU zu sein als nicht. Die Mitglieder Bulgarien oder Rumänien seien immer noch nicht perfekt integriert, aber im aktuellen Konflikt habe sich gezeit, wie wichtig sie als europäische Partner schon sind und wie sie zur Stabilität beigetragen haben. Er plädierte dafür, gemeinsame Räume z.B. auf dem Energiesektor, der Telekommunikation oder auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen, um neue Mitglieder einzubinden und so Schritt für Schritt eine Vollmitgliedschaft zu erreichen. Rouček forderte mehr Mut und erinnerte an den Werdegang Tschechiens vom Nettoempfänger zum Nettozahler.

In der anschließenden Diskussion brachten die Anwesenden ihre Sorgen und Befürchtungen in Bezug auf die Entwicklung des Krieges oder die Erweiterung der EU zum Ausdruck.

 

Homepage Seliger Gemeinde

Jahresmotto 2023

Böhmen liegt nicht am Meer

Josef-Seliger (1870 - 1920)

Ausstellung

 

Film

Volkshaus.net

100 Jahre DSAP

Zur Jubiläumsseite - Zum Geburtstags-Tagebuch

Zum Bundesverband

Die Brücke

 

Mach doch mit!

WebSozis

Soziserver - Webhosting von Sozis für Sozis WebSozis

gefördert durch:

        

   

Wir bedanken uns bei den genannten Fördermittelgebern für die Unterstützung!