Randale im Parlament
Das Vorarlberger Volksblatt berichtete am 18. März 1911 unter der Überschrift „Parlamentarischer Ton“ über eine temperamentvolle Plenarsitzung
Im Budgetausschuß kam es am Donnerstag um ½ 1 Uhr zu einem aufregenden Zwischenfall. Der tschechische Sozialist Modracek sprach über den Boykotterlaß (Anm.: gegenüber tschechischen Geschäften im Rahmen des Schulstreits).
Der Abg. Malir machte dabei den Zwischenruf: „Die Sozialdemokraten sind die ärgsten Terroristen; denn gerade sie predigen überall den Boykott!" Es kam zu einem erregten Wortwechsel zwischen dem Sozialdemokraten Seliger einerseits und den Abg. Wolf, Pacher, Malik und v. Stransky, welch letzterer bei der Sitzung als Zuhörer anwesend war, andererseits. Im Laufe dieses Wortwechsels, der so laut geführt wurde, dass man ihn außerhalb des Saales hören konnte, rief Pacher: „Sie treiben den schamlosesten Boykott, das sieht man in Warnsdorf, wo unausgesetzt Wähler terrorisiert werden!" Seliger: „Sie sind es, die in Warnsdorf mit den Studenten Terrorismus treiben, mit Lausbuben, die von Prag gekommen sind!" (Anm.: Seliger bezog sich auf die Prager Studenten, welche anlässlich der Stichwahl nach Warnsdorf gereist waren).
Das versetzte die Deutschradikalen in große Aufregung. Wolf reif: „Er beschimpft unsere Studenten, das lassen wir uns nicht gefallen!" Schmährufe erschollen hin und her, man hörte aus dem allgemeinen Lärm heraus die Kosenamen „Schäbiger Kerl!" „Lump!" „Gemeines Subjekt!" Wolf griff nach einer Aktentasche und machte eine Bewegung, als wollte er sie Seliger an den Kopf werfen. Seliger dagegen bewaffnete sich mit einem Tintenfaß, Stransky hob einen schweren ledernen Sessel auf und schwang ihn über den Tisch in der Richtung des Seliger. Endlich trennten einige Abgeordnete die streitenden Parteien und es gelang, die Ruhe wieder her zustellen, worauf der Obmann Abg. v. Chiari dem Abg. Seliger den Ordnungsruf erteilte.