Frühjahrsseminar 2024

Veröffentlicht am 19.04.2024 in Allgemein

Ralf Pasch stellt die Familie Schalek vor

 

Die Schaleks – eine Familie schreibt Geschichte

Unser Referent Ralf Pasch, Publizist und Journalist, hat bereits verschiedene Ausstellungsprojekte zu deutsch-tschechischen und sudetendeutschen Themen erstellt. Ralf, geb. 1967, lebt und arbeitet in Berlin und ist Mitglied der Seliger-Gemeinde. Gemeinsam mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa in Potsdam realisierte er die Wanderausstellung „Die Schaleks – eine mitteleuropäische Familie. Fünf Biografien erzählen hundert Jahre Geschichte“ die er zum Abschluß des Seminar-Sonntags vorstellte.

Die Geschichte der böhmischen Familie Schalek ist so vielgestaltig, wie die Geschichte des so tragischen 20. Jahrhunderts. Ralf Pasch forscht seit Jahren zu den unterschiedlichen Mitgliedern der Prager bzw. Wiener deutsch-tschechisch-jüdischen Familie Schalek. Im Rahmen seines Vortrags stellte er uns seine wichtigsten Erkenntnisse vor und beschrieb zugleich, aus wie vielen so unterschiedlichen Teilen sich das große Puzzle dieser Familiengeschichte zusammensetzt: Alice Schalek (1874-1956) arbeitete als berühmt-berüchtigte, einzige Kriegsberichterstatterin im Ersten Weltkrieg, aber auch als engagierte Sozialreporterin. Robert Schalek (1877-1963) war Richter im Prozess gegen den Hellseher Hanussen. Er lebte bis 1938 in Litomerice (Leitmeritz), musste dann mit der Familie nach Prag fliehen und sich vor den Nazis vertsecken. Malva Schalek (1882-1945) war Anfang des 20. Jahrhunderts eine sehr bekannte Malerin in Wien und im jüdischen bürgerlichen Milieu Zuhause. Sie hat sehr viele Porträts gemalt. Mit dem Anschluss Österreichs an Deutschland wird das Leben für sie bedrohlich und sie flieht zu ihrem Bruder nach Litomerice (Leitmeritz). Trotzdem ist sie in den Kriegsjahren nach Theresienstadt deportiert worden. Dort hat sie aber ihr Schaffen als Malerin mit sehr vielen Zeichnungen fortgesetzt, die das Ghettoleben dokumentieren. Sie findet im Vernichtungslager Birkenau den Tod. Ihre Nichte Lisa Fittko (1909-2005) geht nach Frankreich, wirkte als Widerstandskämpferin und wird später für verfolgte Deutsche Fluchthelferin in Richtung Spanien, u. a. für den Literaturkritiker und Philosophen Walter Benjamin. Fritz Schalek (1913-2006) flüchtet nach England wird Angehöriger der britischen Streitkräfte, wurde nach der Niederschlagung des Prager Frühlings vom Kommunisten zum Dissidenten. Er hat den Kulturverband der deutschen Minderheit im Jahr 1969 mitgegründet und war Chefredakteur der Prager Volkszeitung. Er ist von den eigenen Genossen aus der Partei geworfen worden, ist dann aber nach 1989 als Aktivist der deutschen Minderheit wieder aktiv geworden. In dieser Zeit gründete er die Landesversammlung mit.

Nicht zu vergessen: Die historischen Hintergründe

Ralf Pasch stellte neben den fünf Lebensgeschichten auch ihren historischen Hintergrund dar und zeigt so die vielfältigen zerstörten und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wiedererstandenen Verbindungen im Herzen Europas. Dabei schnitt er u. a. das jüdische Leben in Prag und Wien um die Jahrhundertwende, den Ersten Weltkrieg und die Rolle der Frauen oder die Stellung der Deutschen in der Tschechoslowakei vor und nach der Vertreibung an.

Wozu das alles?

Mit seinem Ausstellungsprojekt verfolgt er das Ziel, die deutsch-tschechisch-österreichische Geschichte des 20. Jahrhunderts einer breiten Öffentlichkeit in den drei Ländern grenzübergreifend und durch das Prisma der Einzelschicksale auf persönlich ansprechende Weise nahezubringen. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa entstand ein Film zum Thema. Film und Ausstellung sollen junge Besucher_innen dazu animieren, über die Verbindungen ihrer eigenen Familien zur mitteleuropäischen Geschichte nachzudenken. Sie eignen sich so als Anknüpfungspunkt für – ggf. länderübergreifende – Workshops mit Schulen und anderen Bildungsinstitutionen.

In der anschließenden Diskussion wurde Ralf Pasch gefragt, was er denn mit der Familie Schalek gemeinsam habe, um sich so dafür zu interessieren. Auf die Familie, Schalek so Pasch, wurde er aufmerksam, als er über seine eigene Familiengeschichte nachgeforscht hat. Später hat er dann ein Buch über die dritte Generation der Sudetendeutschen, aber auch über Tschechen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, geschrieben sowie über Leute, die in der deutschen Minderheit aktiv sind. Im Zuge dieser ganzen Arbeit samt Recherchen hat er mit dem Collegium Bohemicum in Ústí nad Labem Kontakt geknüpft. Dort liegen zwei Nachlässe, nämlich der von Robert Schalek und der von Fritz Schalek. Pasch hat sich das angesehen und eine für ihn sehr interessante und spannende Parallele gefunden: Fritz Schalek ist im selben Jahr geboren wie sein böhmischer Großvater, hat aber eine komplett andere politische Entwicklung genommen. Das war ein wichtiger Ansatzpunkt für den Autor. Als er dann recherchierte, was es eigentlich um diese Familie herum noch so zu berichten gibt, hat er dann Alice Schalek entdeckt, Lisa Fittko gefunden und auch über Malva einiges erfahren. Schritt für Schritt hat Ralf Pasch in verschiedenen Archiven und privaten Materialien sozusagen kleine Puzzlesteine gefunden, die dieses Bild dann immer mehr komplettiert haben.

Auf die Frage, wer denn von aus der Familie Schalek noch lebe, antwortete Pasch: "Es gibt eine Tochter von Fritz Schalek. Das ist Eva Schalková, sie lebt in Prag. Sie hat als Dolmetscherin für Portugiesisch und Spanisch gearbeitet. Ich habe mit ihr auch mehrere Interviews über die Familie gemacht. Wir haben über Fotos gesprochen, sie hat mir etwas über ihren Vater und Großvater erzählt und auch das, was sie über die anderen Verwandten weiß. Wir haben uns entschieden, dass sie die Erzählerin in unserem kurzen Film wird, weil wir es spannend fanden, jemanden aus der Familie zu haben, der erzählt. Sie erzählt nicht selber, wir haben eine deutsche und eine tschechische professionelle Sprecherin gefunden, die im Sinne von Eva die Geschichte ihrer Familie erzählen.“

Die Geschichte der Familie Schalek ist heute aktueller denn je, findet Ralf Pasch: "Wir reden heute immer noch über Nationalismus, Rassismus, Migration, Flucht und Vertreibung. Ich denke, dass all diese Themen in dieser Familiengeschichte eine Rolle spielen."

Wie geht es weiter mit der Geschichte der Familie Schalek?

Dazu Ralf Pasch: „Ich habe so viel Material, ich arbeite etwa seit 2011 an diesem Thema. Inzwischen könnte ich allein über eine Person eine Menge schreiben. Über Alice Schalek gibt es noch keine Biographie. Ich denke, es gab schon den Versuch, in einer Ausstellung über ihre Fotos ein etwas anderes Bild von ihr zu zeigen, sie nicht nur als die kriegsgierige Reporterin, sondern auch als die Frau, die emanzipiert war, die für ihre Zeit auch sehr fortschrittliche Sachen gemacht hat, darzustellen. Diese Biographie in einem neuen Licht zu zeigen und etwas ausführlicher zu beschreiben, wäre mein Ziel für ein Buch. Im Moment suche ich noch finanzielle Unterstützung und einen Verlag und hoffe, dass ich das Buch auch irgendwann realisieren kann.“

Der Trailer zum Film findet sich auf YOUTUBE! Vorsicht beim Thema Datenschutz!

 


 

 

 

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