Wenzel-Jaksch- Gedächtnis-Preis 2019

Veröffentlicht am 23.07.2019 in

Laudatio anlässlich der Verleihung des Wenzel-Jaksch-Gedächtnispreises 2019 an Reinhold Gall, ehem. Innenminister des Landes Baden-Württemberg und Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion in Stuttgart am 7. Juli 2019 im Bayerischen Landtag von Bundesvorsitzendem Albrecht  Schläger, MdL  a.D.

 

Anrede,

schon vor seiner Zeit als Minister kümmerte sich  Reinhold Gall nicht nur um die berechtigten  Belange der verschiedenen Landsmannschaften, würdigte bei vielen Gelegenheiten die Leistungen der Vertriebenen, sondern verstand sich immer als Brückenbauer.

Sein Hauptanliegen war Kontakte zu knüpfen und Begegnungen zu fördern. Als Beispiel hierfür sei  die Gründung einer Partnerschaft seiner Heimatgemeinde mit der ungarischen Gemeinde Hercegküt (Trautsondorf) genannt. Zwischenzeitlich ist Reinhold Gall Ehrenbürger der ungarischen Gemeinde. Die hieraus entstandenen jährlich stattfinden Jugendbegegnungen sind ihm ein besonderes Anliegen. Die Suche nach den gemeinsamen Wurzeln in Europa führte zu vielen neu gefundenen Beziehungen. Hierfür, aber auch für seine positiv kritische Begleitung der deutsch-ungarischen Beziehungen, wurde ihm  das ungarische Verdienstkreuz verliehen.

Wichtig war und ist Reinhold Gall, dass bei Besuchen auch Begegnungen außerhalb des offiziellen Teils stattfinden. Immer hat er deshalb auch Kontakte zu den in den Herkunftsgebieten lebenden Menschen gesucht, Veranstaltungen besucht und neue Beziehungen angebahnt.

Durch seine Funktionen in der Feuerwehr seiner Heimatstadt unterstützt er immer wieder die Ausstattung der Feuerwehren in den Herkunftsgebieten mit Fahrzeugen und Gerätschaften. Als Mitglied der donauschwäbischen Kulturstiftung begleitet und fördert er die kulturellen Beziehungen und Aktivitäten der Deutschen Jugend Europas und setzt sich nachhaltig für den Erhalt der deutschen Sprache in den Herkunftsgebieten ein.

Als Vorsitzender des Innenausschusses des Baden-Württembergischen Landtags, aber vor allem als Innenminister von 2011 - 2016 legte er ein großes Augenmerk auf die Geschichte und Kultur der Deutschen in der Mitte und im Osten Europas. Auch  in seiner jetzigen Funktion als Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion widmet er sich mit demselben Engagement diesen Aufgabenstellungen.

Frieden und Freiheit sind für Reinhold Gall keine Selbstläufer. "Das Wissen um unsere Geschichte ist wichtig, um die Gegenwart zu verstehen und der Zukunft zu begegnen", so die Aussage des Innenministers Gall im Jahre  2013 an die Vertriebenen und Flüchtlinge sowie an die Spätaussiedler in Baden-Württemberg.

Große Bedeutung hatten für ihn immer Begegnungen mit den deutschen Minderheiten in Tschechien, der Slowakei, in Ungarn und Rumänien.

Er wusste es immer zu schätzen, und betonte das immer wieder, dass die Vertriebenen Baden-Württembergs, aber auch ganz Deutschlands, nach dem Krieg unser Land entscheidend mit  aufgebaut haben. Sie haben am weltberühmten Wirtschaftswunder einen gehörigen Anteil, denn  das unsichtbare Fluchtgepäck konnte ihnen keiner nehmen: nämlich einen hellen Verstand und Sinn sowie ein aufrichtiges und offenes Herz.

Der gelernte Fernmeldehandwerker Reinhold Gall begann seine politische Laufbahn in der Kommunalpolitik. 1984 wurde er in den Gemeinderat der Gemeinde Obersulm im Landkreis Heilbronn gewählt. 1989 wurde er Ortsvorsteher seines Heimatortes Obersulm und zog 1994 in den Kreistag ein. Bei der Landtagswahl 2001 wurde er für den Wahlkreis Neckarsulm in den Landtag Baden-Württemberg gewählt und errang dieses Mandat wieder bei den Wahlen 2006, 2011 und 2016.

Bei der Vertriebenenarbeit ging es ihm nicht nur darum, sich mit denjenigen Deutschen zu  beschäftigen, die als Vertriebene oder Spätaussieder in Baden-Württemberg eine neue Heimat gefunden hatten. Ihm ging es insbesondere auch um die Deutschen die in den Herkunftsländern verbleiben waren.

Ein besonderes Anliegen war es für Innenminister Gall die Jugend für deutsche Geschichte im östlichen Europa für das Thema Flucht und Vertreibung zu interessieren.

Er unterstützte im Lauf der Jahre viele Aktivitäten der Seliger-Gemeinde. So eröffnete er z.B. im Juni 2013 im Haus der Heimat in Stuttgart, sowie im Juni 2015 im Großen Atrium des Innenministeriums unsere Ausstellung "Die sudetendeutschen Sozialdemokraten -  Von der DSAP zur Seliger-Gemeinde" und ging dabei immer auf unsere drei wichtigsten geschichtsprägenden Persönlichkeiten ein: Josef Seliger, Dr. Ludwig Czech und Wenzel Jaksch. Er erinnerte an die Gründung der Seliger-Gemeinde im Jahr 1951 und daran, dass ein Jahr später das Seliger-Archiv in Stuttgart eingerichtet wurde. Durch dieses Archiv ist sehr vieles aus der Geschichte der sudetendeutschen Sozialdemokraten erhalten geblieben.

Besonders wichtig ist Reinhold Gall deutlich zu machen, dass es auch in den sudetendeutschen Gebieten Böhmens die Sozialdemokraten waren, die sich gegen Hitlerdeutschland gestellt und klar gegen den Anschluss der Sudetengebiete an das Deutsche Reich positioniert hatten. Er erinnerte häufig daran, dass nach dem Münchner Abkommen mit der Besetzung des Sudetenlandes durch Nazideutschland die Verfolgung der Sozialdemokraten begann. Allein vom Oktober bis Dezember 1938 wurden 20.000 Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei verhaftet, 2.500 Sudetendeutsche Sozialdemokraten wurden allein in das KZ Dachau eingewiesen.

Deshalb ist es geboten, energisch zu widersprechen, wenn manche behaupten, das Münchner Abkommen hätte den Sudetendeutschen das Selbstbestimmungsrecht gebracht, das man ihnen 1918/19 von den Siegermächten verweigerte. Dies ist reiner Zynismus, denn zum Selbstbestimmungsrecht gehören Demokratie und Menschenrechte, die den Sudetendeutschen auch  1938 verweigert wurden.

Wir von der Seliger-Gemeinde sind Reinhold Gall auch zu großem Dank verpflichtet, weil er bei unserer Bundesversammlung in Bad Alexandersbad im Jahre 2015  das Hauptreferat zu  "70 Jahre Befreiung und Vertreibung" übernommen hatte. Aus aktuellem Anlass erinnerte er damals "im Angesicht langer Flüchtlingstrecks durch Europa mit Richtung Deutschland" an die Verantwortung, die wir alle tragen.

Einen Monat nach der nach Deutschland hereinflutenden Flüchtlingswelle, die uns alle überrannt hat, hast Du uns alle ermahnt, dass sich ganz Deutschland dieser Herausforderung stellen muss. Es war und ist nicht einfach, zu diesen Vorgängen die passenden Worte zu finden und die richtigen Maßnahmen zu treffen.

Mit den mutigen Worten der Bundeskanzlerin "Wir schaffen das" allein war diese Situation nicht zu bewältigen. Aber ich denke, dass wir in der Zwischenzeit insgesamt diesbezüglich auf einem guten Weg sind.

Der Vorsitzende der Sudetendeutschen Landesmannschaft, Landesgruppe Baden-Württemberg, Klaus Hofmann, wies darauf hin, dass beispielsweise der Besuch von Reinhold  Gall in Tschechien und seine Gespräche mit dem Minister für Menschenrechte Jirl Dienstbier mit dazu beigetragen haben, dass 2016 erstmals ein tschechischer Minister auf einem Sudetendeutschen Tag in Deutschland sprach.

Reinhold Gall hat immer darauf Wert gelegt, dass bei seinen Gesprächen in Prag die Sudetendeutschen Vertreter eingebunden waren, um auch zu unterstreichen, dass die Minderheit in Tschechien nach wie vor Teil der Geschichte Tschechiens ist. Damals hat der Dialog über unsere gemeinsame Geschichte in der Mitte Europas begonnen und muss fortgesetzt werden, um den Weg der Versöhnung gemeinsam mit unseren östlichen Nachbarn in einem geeinten friedlichen Europa zu  gehen.

Das hast Du, lieber Reinhold Gall, immer wieder betont.

Diesen Dialog pflegtest Du erfolgreich und mit viel Herzblut weit über die Aufgabenstellung eines Innenministers hinaus und pflegst den nach wie vor in deinen verschiedenen derzeitigen Funktionen. Die Verleihung des Wenzel-Jaksch-Gedächtnispreises an Reinhold Gall entspricht den Kriterien, den Preis an Persönlichkeiten zu verleihen, die sich um besondere Verdienste um Kultur und Wissenschaft der Vertriebenen und Flüchtlinge aus den Vertreibungsgebieten und für die Wahrung des Vermächtnisses speziell der sudetendeutschen Arbeiterbewegung sowie die friedliche Neugestaltung Europas auf der Grundlage eines modernen Volksgruppenrechts einsetzen.

 

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